Das Portrait
: Der Textildemokrat

■ Heinz Oestergaard

Anfang der fünfziger Jahre, als schon eine bunte Wäscheklammer an sackleinener Schürze der westdeutschen Hausfrau modisch pfiffig vorkam, begann er, den Nachkriegsmenschen liebevoll zu belehren, wie wichtig doch der gewisse Chic sein kann: Heinz Oestergaard hatte mit dieser Pädagogik rasenden Erfolg. Daß in Deutschland überhaupt ein Kult um Lagerfeld & Co. entstehen konnte, wäre ohne seine jahrzehntelange Arbeit am Outfit der Deutschen kaum denkbar.

Glockenrock und anderen unerotischen Textilien erklärte er unumwunden den Krieg. Mode müsse Frauen und Männer sicherer machen, befand er strikt. Während des Ersten Weltkriegs wurde er in Berlin geboren, später nahm er beim Bauhausschüler Otto Arpke Zeichenunterricht. Kurz nach Kriegsende eröffnete der bekennende Berliner sein erstes eigenes Modehaus, seit 1952 (bis 1967) zeichnete er als Alleininhaber verantwortlich für seinen Berliner Haute-Couture-Salon.

Von dort aus bewies er einer zu Glamour im Alltag bereiten Nation, daß Fashion ohne Glitter & Flitter nichts ist. Und alle, die während der Fünfziger prominent waren, trugen seine Fummel, ob nun die erste Miß Germany, Susanne Erichsen, Nadja Tiller, Hildegard Knef oder Zarah Leander. Dabei vergaß Oestergaard nie, den Kunden von der Straße zu interessieren. Er ahnte früh, daß nur jene Mode zählt, die man sich auch leisten kann.

So war er sich nicht zu fein, seinen Entwürfen kosmisch- banale Namen zu verleihen. Ein Modell nannte er „Papa, geh mit uns konditern“. Ein Faible hatte er für Kunststoffgewebe, das für echter und modewürdiger gehalten wurde als billige Stoffe wie Baumwolle und Leinen.

Die These von der „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ (Schelsky) interpretierte Oestergaard spätestens seit Beginn der sechziger Jahre auf seine Weise – indem er figurbetonte Uniformen für die Polizei oder das Straßenpersonal des ADAC entwarf. In jene Zeit fiel auch sein Coup, für das Kaufhaus Quelle zu entwerfen. Das trug ihm zwar innerhalb seiner elitären Branche viel Naserümpfen ein, doch erstens liebte der Berliner das, und zweitens reizte es ihn, der erste Couturier zu sein, der auch souverän den Massengeschmack bediente. Oestergaard wird heute 80 Jahre alt. Jan Feddersen