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Herzschuß in Zyperns Niemandsland

Weil er eine türkische Fahne vom Mast holen wollte, erschossen türkisch-zypriotische Soldaten einen Demonstranten. Zyperns Regierung kritisiert Blauhelme. Doch die sind überfordert  ■ Von Niels Kadritzke

Berlin (taz) – Bei Zusammenstößen zwischen griechisch-zypriotischen Demonstranten und türkisch-zypriotischen Soldaten in der innerzypriotischen Pufferzone ist gestern bei Famagusta ein zweiter Demonstrant getötet worden. Das teilte der UN-Vertreter in Zypern mit. Bei dem Zwischenfall wurden zwei britische UN-Soldaten durch Schüsse von türkisch-zypriotischer Seite verletzt.

Nach übereinstimmenden Berichten von beiden Seiten der innerzypriotischen Demarkationslinie wurde der Demonstrant durch einen Herzschuß getötet, als er versuchte, am Rand der Pufferzone einen Fahnenmast zu erklettern, um die türkisch-zypriotische Flagge herunterzuholen. Zu den erneuten Demonstrationen kam es nach dem Begräbnis des 24jährigen Tassos Isaak. Er war von türkischen Gegendemonstranten, die den „grauen Wölfen“ zugerechnet werden, mit Knüppeln zu Tode geprügelt worden.

Blauhelmsoldaten versuchten vergeblich, die Jugendlichen am Überschreiten der „grünen Linie“ zu hindern. Noch am Dienstag war es der griechisch-zypriotischen Polizei gelungen, eine ähnliche Demonstration zu verhindern. Dabei gestatteten die UN-Soldaten einer Delegation von sieben Demonstranten, zu Ehren von Tassos Isaak im Niemandsland einen Kranz und eine griechische Flagge niederzulegen.

Am Mittwoch konnte die Eskalation trotz verstärkten Polizeiaufgebots und erhöhter Alarmbereitschaft der UN nicht verhindert werden. Mit dem zweiten Todesfalls haben sich die Spannungen an der innerzypriotischen Demarkationslinie weiter verschärft. Die UN spricht vom schärfsten Konflikt seit Juli 1974, als nach dem Putsch der griechischen Militärjunta die türkische Armee den Norden Zyperns besetzte. 22 Jahre später ist die UN selbst in die Schußlinie geraten. Von der zypriotischen Regierung in Nicosia und der griechischen Regierung wird dabei nicht nur der türkisch-zypriotische Präsident Denktasch und die „Brutalität der Besatzungstruppen“ angegriffen. Der zypriotische Außenminister Alekos Michaelides protestierte schon nach dem ersten Toten beim UN-Generalsekretär und warf den UN-Soldaten indirekt passives Verhalten vor.

Der UN-Sprecher in Zypern gab die Vorwürfe an die Polizei auf beiden Seiten zurück. Die griechisch-zypriotische Polizei hätte das Vordringen von Demonstranten in die Pufferzone verhindern müssen, die UN-Truppen seien weder beauftragt noch angemessen ausgebildet, um Zusammenstöße an der Grenze zu verhindern. Die Blauhelme in Zypern bestehen aus englischen und österreichischen Soldaten. Die Engländer sind zugleich auf der britischen Militärbasis Dhekelia stationiert, die unmittelbar an den türkisch besetzten Teil Zyperns angrenzt. Die Österreicher sind keine regulären Soldaten, sondern Teil der Miliz und damit ohne militärische Kampfausbildung.

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