: Leichtes Spiel für Diebe
Die Postbank verschickt Scheckkarten mit der Post – wie sonst? Nur kann da jeder reinschauen und dann auf große Einkaufstour gehen ■ Von Constantin Bartning
Freunde hatten Sabine W. ihre Post aus Berlin auf den Zeltplatz an den Feldberger See mitgebracht. Als sie die Kontoauszüge von der Postbank öffnete, wunderte sie sich sehr. Sie hatte in den letzten zwei Wochen nur zweimal Geld abgehoben. Doch auf mehreren Seiten der Kontauszüge waren nun insgesamt 56 Abbuchungen zwischen dem 9. und 13. Juli aufgelistet, mit Datum und Empfänger. Die Beträge reichten von 2,49 Mark („Pinguin Fashion“), über 694 Mark („Leffers“) bis zu 1.627 Mark für 13 Einzeleinkäufe bei Karstadt. Insgesamt fehlten 10.671 Mark auf dem Konto.
Wie konnte das geschehen? Tatsächlich war Sabine W. im Mai die Brieftasche samt Personalausweis gestohlen worden. Sollte es jemand geschafft haben, damit einkaufen zu gehen? Auf einem leeren Auszahlungschein in der Brieftasche konnte dem Dieb die Kontonummer nachlesen. Doch der Fall von Sabine W. lag anders: Nach zwei Tagen rückte die Mitarbeiterin der Nachforschunsstelle der Postbank am Telefon damit heraus, daß die Einkäufe mit einer Eurocheque-Karte erfolgt seien. Es konnte sich auch nicht nur um eine Fälschung gehandelt haben, denn der Kartencode war in einigen Kaufhäusern eingelesen worden. Tatsächlich hatte Sabine W. nach dem Verlust der Brieftasche eine neue Eurocheque-Karte angefordert, dazu auch gleich eine Bankcard für ihren Mann. Die war Anfang Juli mit normaler Post eingetroffen. Allerdings mit einem Schreibfehler im Familiennamen. Sabine W. hatte die Postbank noch am selben Tag darüber informiert. Eine Woche später traf dann eine zweite, diesmal richtige Bankcard, kurz vor Urlaubsbeginn die neue Eurocheque-Karte ein, korrekt ausgestellt auf den Namen von Sabine W. Beides kam wieder mit der normalen Post ins Haus – als Brief mit dem Vermerk „Nicht nachsenden“ auf dem Umschlag.
Nun stellte sich im Telefongespräch mit der Postbank-Mitarbeiterin heraus, daß es wohl noch eine Eurocheque-Karte geben müsse, nämlich eine mit dem falsch geschriebenen Namen für Sabine W. Diese falsche Karte war aber weder angekommen, noch bis zu diesen Tag auch von der Postbank nicht gesperrt worden.
Sabine W. stellte daraufhin Strafanzeige gegen die Postbank und die an der Einkaufsaktion zu Lasten ihres Konto beteiligten Kaufhauskonzerne wegen Untreue und Begünstigung von Scheckkartenbetrug. Zur Begründung schrieb sie in ihrer Klageschrift: „Die Postbank verschickt gültige Eurocheque-Karten auf dem normalen Postweg in Umschlägen, bei denen leicht der Karteninhalt zu fühlen ist – obwohl bekannt ist, daß bei der Postzustellung Diebstähle vorkommen und der Diebstahl und Mißbrauch von solchen Karten bei den zuständigen Stellen der Kriminlapolizei inzwischen in großer Zahl gemeldet wird, so eine Auskunft des Dezernats 3134 des Landeskriminalamtes Berlin. Dies ist der Postbank bekannt, da sie mit den Schadensfällen zu tun hat. Desweiteren ist der Postbank bekannt, daß führende Kaufhauskonzerne die Eurocheque-Karte ohne Geheimzahl (PIN-Nummer) akzeptieren und dabei innerhalb eines Tages Kaufbeträge weit über dem üblichen Kartenlimit an Geldautomaten zulassen.“
Im Fall von Sabine W. hat die Post die abgezockten 10.671 Mark schließlich ersetzt. Sabine W. hatte Glück. Die Schwindler, die auf ihre Kosten auf Einkaufstour gingen, waren vermutliche keine Profis. Denn sonst hätten sie das Konto auch gleich in bar abräumen können: mit einem abgefangenen Auszahlungsschein und Vorlage der Scheckkarte zahlt jeder Postschalterbeamte ohne Abfrage der Geheimnummer Geld vom Konto aus. Den Kontostand kann sich der Scheckkartendieb vorher gegen Vorlage der Karte am Lesegerät des Schalters anzeigen lassen.
Auch der Einkausfbummel mit fremden Scheckkarte wäre danach immer noch möglich gewesen. Die Kaufhauscomputer werden erst am Folgetag infomiert, daß der Diebstahl einer Karte bei der zentralen Frankfurter Meldestelle gemeldet wurde. In dieser Zeit läßt sich mit der gestohlenen Karte noch viel einkaufen...
Wer nun aber meint, mit dem Verzicht auf die Eurocheque- Karte sei ein Bankgirokonto sicher vor fremdem Zugriff, hat sich geirrt: Bei Beträgen unter 800 Mark werden die Unterschriften auf Überweisungen von den Banken nicht kontrolliert, erzählte bei einem der Telefongespräche ein offenbar fachkundiger Mitarbeiter der Polizei. Kontonummern und Kontostände sind in vielen Hausbriefkästen und der Postverteilung illegalem Zugriff ausgesetzt. Mit ein paar Überweisungen auf Konten, die mit gestohlenen Personalausweisen oder im Ausland eingerichtet werden, ist es ein leichtes, ein fremdes Konto auszuplündern.
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