piwik no script img

Amtsschimmel im Bierrausch

Brandenburger Beamte verbieten dem einzigen ostdeutschen Klosterbräu die Bezeichnung Bier. Brauer schlagen mit pfiffiger Werbung zurück  ■ Von Gunnar Leue

Berlin (taz) – Was ist ein besonderes Bier? Für Comic-Werner keine Frage, natürlich sein „Bölkstoff“, damit's richtig kesseln kann. Weniger professionellen Biertrinkern ist sowieso jedes besonders gute Bier ein besonderes. Insofern gehört auch das beliebte Neuzeller Schwarzbier in die Kategorie. Nicht zuletzt Brandenburgs Landesvater Manfred Stolpe und sein Landwirtschaftsminister Edwin Zimmermann rühmten schon das süffige Dunkle aus der Klosterbrauerei in Südbrandenburg. Nur, ein „besonderes Bier“ im amtsdeutschen Sinne ist es für die deshalb noch lange nicht.

Der Grund des bitterlichen Streits ist Rübenzucker, der dem Gebräu in winziger Menge zugegeben wird. Schon 1589 hatten sich die Neuzeller Klosterbrüder derart den Geschmack versüßt, sagen die Brauer. Tradition hin, Beliebtheit her, meint der Brandenburger Agrarminister, in Deutschland gibt's ein Reinheitsgebot. Das gilt seit 1993 auch wieder in den ostdeutschen Ländern und verbietet den Zuckerzusatz. Doch der Neuzeller Brauerei-Inhaber Helmut Fritsche beruft sich ebenfalls auf das Reinheitsgebot, das besonderen Bieren ein Abweichen vom Zutatengebot gestattet. Wie z.B. im Falle des Bamberger Rauchbiers praktiziert. Also ließ Fritsche die Besonderheit seines Biers von mehreren Instituten wissenschaftlich prüfen. Ergebnis der Gutachten: Dem einzigen Klosterbier Ostdeutschlands wird bestätigt, als dunkles Vollbier im Geschmack unvergleichlich und somit ein Spezialbier zu sein.

Freilich war der Zank damit keineswegs beendet, denn die Bürokraten blieben unbeeindruckt. Die Neuzeller schäumten vor Wut und schrieben an ihren Landesvater, seine Beamten würden die Existenz des Unternehmens aufs Spiel setzen. Bis zu 350 Arbeitsplätze einschließlich Zulieferern wie Böttcher und einer Behindertenwerkstatt seien in Gefahr. Die Neuzeller vermuten hinter der Hartnäckigkeit der Potsdamer Ministeriellen sogar bewußte Plattmacherei. „Hier soll offenbar ein erfolgreiches Unternehmen vom Markt gefegt werden“, wettert Brauerei-Chef Fritsche. Wenn das Schwarzbier nicht mehr Schwarzbier heißen dürfe, träfe das den „Lebensnerv des Betriebs“. Sei dessen Haupterzeugnis (80 Prozent Produktionsanteil) vom Markt, drohe der Konkurs. Notfalls will die Klosterbrauerei für ihr Schwarzbier bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

Bis dahin dürfte der Bekanntheitsgrad des Streitobjekts kräftig weitersteigen. Etwas Besseres als der „Bierkrieg“ hätte nicht mal den Marketingleuten der Brauerei gar nicht einfallen können. Der „aktuelle Stand der Schwarzbierproblematik“ wurde denn auch der Öffentlichkeit stets originell serviert. Zunächst brachte man eine Flasche in Umlauf, auf deren Etikett das Wörtchen Bier fehlte. Nur die Beamten fanden die „Schwarz...“-Aufkleber weniger lustig und verboten sie nach einem halben Jahr unter Androhung eines Zwangsgeldes von 30.000 Mark. Woraufhin die Klosterbrauerei nicht nur gegen die Landesregierung klagte, sondern fix ein neues Etikett schuf. Darauf steht „Brandenburger Amtsposse Jahrgang 1996“ und geht gerade in limitierter Auflage mit 100.000 Flaschen unters Biertrinkervolk. Selbstverständlich werben die Neuzeller mit Radiospot zum Thema – Bürokratieverdrossenheit als Absatzstütze. Zu allem Überfluß gibt's noch einen Protestsong, den angeblich ein Fan (im Rausch?) verfaßt haben soll: „Give Bier A Chance“. Die Anlehnung an sein Friedenslied würde John Lennon vermutlich zwar einen postumen Schluckauf bereiten, aber irgendwo geht es hier ja auch um das Beenden von Zwietracht.

Und weil Volksgezänk und Volksgetränk zusammengehören wie Stammtisch und Bier, verpaßten die zornigen Klosterbräu-Brüder ihrer Obrigkeit noch einen besonderen Denkzettel. 95 Thesen zur deutschen Wirtschaftspolitik – Politiker sind Diener der Bürger, so die wichtigste – haben sie ganz medienöffentlich an eine Berliner Kneipenwand angeschlagen. Quasi als Beitrag zur deutschen Standortdebatte im Lutherjahr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen