: Gute Bedingungen für illegale Rüstungsexporte
■ Ein Regel-Wirrwarr behindert die europäische Kontrolle von Kriegstechnologie
„Die Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs stellt ein wirksames Instrument zur Verhinderung und Aufdeckung gravierender Außenwirtschaftsstraftaten dar“, lobte Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt vor ein paar Monaten die deutschen Überwachungsmöglichkeiten, die seit 1992 gelten. Doch die Lieferung von computergesteuerten Automatisierungssystemen für die Giftgasanlage in Libyen belegt einmal mehr, daß in Deutschland eine wirksame Exportkontrolle für Kriegstechnologie nicht existiert.
Dabei steht Libyen sogar auf der Liste K – und soll deshalb generell weder Waffen noch Know-how für deren Herstellung geliefert bekommen. Insgesamt ist die Liste der Tabu-Länder in den letzten Jahren extrem geschrumpft: Nur noch Afghanistan, Angola, die Nachfolgestaaten Jugoslawiens, Kuba, Libanon, Libyen, Irak, Iran, Mosambik, Myanmar (das ehemalige Birma), Nordkorea, Somalia und Syrien sind verzeichnet.
Der Umgang mit Waffenexporten ist in der EU nach wie vor Ländersache. So wurde es in den Römischen Verträgen von 1957 festgeschrieben, und so ist es bis heute geblieben. Seit dem 1. Juli 1995 existiert jedoch eine gemeinsame Verordnung über die Ausfuhr von sogenannten Dual-use-Gütern, die zivil und militärisch genutzt werden können. Doch das Gesetzeswerk hat das Exportverfahren keineswegs harmonisiert, sondern im Gegenteil sogar noch komplizierter gemacht. Die Zöllner in Portugal sehen sich jetzt plötzlich mit Formularen aus Schweden konfrontiert, und ihre Kollegen in Brüssel rätseln über deutsche Ausfuhrpapiere. Bisher ist es nicht gelungen, einheitliche Genehmigungsdokumente zu erstellen. Wer illegal etwas ausführen will, findet gute Bedingungen. Die Industrie und ihr zentraler Verband in Brüssel, UNICE, sind allerdings von dem Genehmigungschaos wenig begeistert. Auf einer Anhörung forderten Wirtschaftsvertreter eine Zone ohne Lizenzen innerhalb der EU sowie eine konkrete Liste mit exportbeschränkten Gütern. Alles, was nicht darauf verzeichnet ist, solle frei ausführbar sein.
Auch die EU-Kommission in Brüssel räumt ein, daß die Zusammenarbeit der Genehmigungs- und Zollbehörden nicht zufriedenstellend funktioniert. Zwar läßt sie seit Jahren Lehrgänge für Zöllner und andere Staatsdiener durchführen, die mit Dual-use-Exporten zu tun haben. „Doch der Ausbildungsstand der Beamten in den einzelnen Mitgliedsstaaten ist sehr unterschiedlich“, beschreibt Harald Bauer vom Institut für Internationale Politik die Lage.
„Illegaler Export ist aber sowieso die Ausnahme“, konstatiert Andrea Kolling vom BUKO – Stoppt den Rüstungsexport. Sie schätzt, daß über 90 Prozent der Waffenlieferungen aus Deutschland vom Bundesamt für Ausfuhr in Eschborn (Bafa) genehmigt würden. Nicht nur Nato-Staaten können damit rechnen, das gesamte Angebot aus deutschen Waffenschmieden geliefert zu bekommen. Seit 1985 genießen auch die Asean- Staaten dieses Privileg. Ein Zollfahnder prognostiziert denn auch weltweite Proteste in ein paar Jahren, weil deutsche Waffen überall in Krisengebieten auftauchen. Er und seine Kollegen könnten dann nur darauf hinweisen, daß fast alles in Eschborn genehmigt worden sei. Annette Jensen
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