: Am 31. ist Ostwestfalentag
Eine kleine Minderheit aus Ostwestfalen hat den noch nicht eingetragenen Verein „VonVORundACHTERNbiargeWECH nne.V.“ gegründet ■ Von Kirsten Niemann
Im Hinterzimmer der Kreuzberger Kneipe Enzian, wo sich seit November letzten Jahres einmal monatlich eine kleine Truppe von Ostwestfalen trifft, geht es um die Wurst. Genaugenommen um die Wurst schlechthin. „Spengemanns Bratwürstchen“ nämlich, die bei den Feierlichkeiten des ersten Berliner Ostwestfalentags eine maßgebliche Rolle spielen sollen. Das Sponsoring ist schon fast durch, und jetzt geht es vor allem darum, wieviel Holzkohle man wohl benötigt, wer den Grill besorgt und wer denn am 31. August auf eben diesem die Würstchen immer schön hin- und herdrehen darf. Denn Spengemanns – das wird jeder Ostwestfale bestätigen – sind Kult und Kulturgut zugleich.
Und dieses zu pflegen hat sich die Initiative mit dem für Nichtwestfalen fast unaussprechlichen Namen „VonVORundACHTERNbiargeWECH nne.V.“ (noch nicht eingetragener Verein) vorgenommen. Der geschätzte WDR-Intendant Fritz Pleitgen, dem als Exil-Bünder die Ehrenmitgliedschaft angeboten wurde, lobt diesen Klarnamen als „Meisterstück mundartlicher Sprachbeherrschung. Ähnlichkeiten lassen sich höchstens in der indianischen Hochkultur entdecken.“
Ungefähr 20 lose Mitglieder zählt der Verein, der, wie die Präsidentin Anke Kuckuck hofft, „auch niemals eingetragen wird. Dann würde ich aussteigen!“ Darunter befinden sich vor allem ehemalige Fahnenflüchtige (Vertriebene), die es mittlerweile zu etwas gebracht haben: Schauspieler, Architekten, Autoren und Rechtsanwälte setzen sich für die Erhaltung heimatlichen Kulturguts ein. Unbedingt erwähnenswert ist an dieser Stelle die exil-westfälische Prominenz: Da wären Norbert Hähnel und Theo Bosky, bekannt unter dem Künstlernamen „Der wahre Heino und Gattin Hannelore“, sowie der Autor Wiglaf Droste und die Schlagersängerin Käthe Kruse.
Doch ostwestfälische Kultur? Was kann das schon sein, werden sich manche fragen. Wo wir wieder bei der Wurst wären, dem guten Herforder Pils und den Zigarren aus der Zigarrenfabrik in Bünde, die bislang noch keiner Schulklasse aus dem Umkreis von 40 Kilometern vorenthalten wurde. Genauso berühmt ist natürlich das Kaiser- Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica, das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald, die Externsteine und der Weserbogen. Und natürlich die Sprache, die gerade in der Fremde einer besonderen Pflege bedarf. So wird jeder Stammtisch-Neuzugang erst einmal mit der Frage bombardiert: „Wo bist du denn wech?“ Ein spontan in den Raum geworfenes „Bünde“ kommt zwar in der Regel gut an, reicht aber nicht aus. „Einwandfreie Aussprache von Wörtern wie ,Sempf‘ (Senf), ,Wuast‘ (Wurst) und ,Kiache‘ (Kirche) sind Voraussetzung“, erklärt die Präsidentin. Auch Ausdrücke wie „inne Puschen“ oder „inne Pötte kommen“ (etwas eiligst in Gang setzen), „nöckelig sein“ (sich ärgern) und „knülle sein“ (betrunken sein) sollten in dieser Runde möglichst ohne zu stocken in die Konversation einfließen.
Seit Bestehen des Vereins sind die Mitglieder „damit zugange“, den Ostwestfalentag zu organisieren. „Bisher waren zumindest alle Stammtische von diesem magischen Datum beherrscht“, erklärt Rechtsanwalt Axel, „danach werden wir uns der Nachbereitung des Festes widmen sowie seiner Etablierung als feste Einrichtung.“ Das Interesse daran scheint auf jeden Fall vorhanden zu sein. In der (k)alten Heimat wurde die Berliner Truppe nämlich bereits in allen Medien gefeiert, so daß mit einem Ansturm von Reisebussen gerechnet werden muß. „Doch hoffentlich kommen nicht unsere ganzen Mütter und Väter“, meint die Präsidentin, „das wäre furchtbar!“
Doch auch die einen oder anderen Berliner Bürger dürfen an dem großen Tag – dessen Datum übrigens mit dem ersten Umsonst-und- draußen-Festival in Vlotho vor 25 Jahren zusammenfällt (Eingeborene wissen schon Bescheid) – einmal vorbeischauen. Neben Spengemanns Bratwuast gibt es Herfotter Pils und eine Cocktailbar, an der die neueste kulinarische Spezialität aus dem Westfälischen serviert wird: Blutorange von Aldi mit Wodka. „Das trinken die bei uns jetzt“, weiß Kuckuck, „ich habe mich erkundigt!“ Zur allgemeinen Unterhaltung werden unter anderem Bürgermeister Eberhard Diepgen und Sparsenatorin Annette Fugmann-Heesing samt Familie erwartet. Das Programm aber werden die Stars bestreiten: Der wahre Heino und Käthe Kruse werden Schlager singen, der Droste soll mundarten und Anke Kuckuck Afrikanisches trommeln. Allgemeiner Überraschungsgast wird ein Mann namens Percy sein. Überraschend vor allem deshalb, weil ihn bislang keiner kennt. Norbert Hähnel: „Der rief vor ein paar Wochen an und sagte, er käme aus Enger und wolle bei uns mitmachen. Außerdem sei er 1967 deutscher Beatmeister in Recklinghausen gewesen.“ Höhepunkt ist jedoch der Stammtischchor, der um 24 Uhr erstmals die neue Westfalenhymne in die Öffentlichkeit tragen wird. „Die wurde von Norberts Vatta geschrieben“, so die Präsidentin, „aber ohne ihn kränken zu wollen haben wir sie natürlich ein bißchen für unsere Zwecke umgeändert.“
Wer auch nach'n Ostwestfalenfest hinwill: am 31.8. geht's um 16 Uhr bein Enzian los, Yorckstraße 77
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