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Jede Asyl-Beschwerde eine Sensation

Ein kurdischer Asylbewerber ist mit einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht durchgekommen: Sein Antrag auf Asyl war zu Unrecht abgelehnt worden  ■ Aus Karlsruhe Christian Rath

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat das Grundrecht auf Asyl noch nicht ganz zu den Akten gelegt. Schon acht Asyl-Verfassungsbeschwerden beschieden die roten Roben in diesem Jahr positiv, verkündete gestern stolz die Pressestelle des Gerichts. Anlaß für diese Mitteilung war die erfolgreiche Verfassungsbeschwerde eines Kurden, dessen Asylgesuch vom Verwaltungsgericht Arnsberg (Nordrhein-Westfalen) wegen vermeintlicher „Ungereimtheiten“ abgelehnt worden war.

Eine mit drei Richtern besetzte Kammer des Zweiten Karlsruher Senats zerpflückte das Arnsberger Urteil so, daß nur wenig davon übrigblieb. Verfassungsrechtliche Kenntnisse waren dabei allerdings nicht erforderlich. Es ging lediglich darum, dem Arnsberger Gericht aufzuzeigen, daß die vermeintlichen „Ungereimtheiten“ sich durchaus zu einem „schlüssig dargestellten Verfolgungsschicksal“ zusammensetzen ließen. Auf insgesamt 14 Seiten legte die Kammer des BVerfGs dar, daß die Aussagen des Kurden, der als vermeintlicher PKK-Sympathisant inhaftiert und gefoltert worden war, durchaus „im wesentlichen gleichbleibend und konkret“ gewesen seien. Auch ein vom Verwaltungsgericht angeführter Widerspruch zu Aussagen seiner Tochter konnte nicht entdeckt werden.

Eigentlich kein Fall für ein Verfassungsgericht, sollte man meinen. Schließlich betonen die Karlsruher Richter auch selbst, daß sie keine „Super-Revisionsinstanz“ für die Fachgerichte sein wollen. Im Asylrecht scheint dies wegen des stark verkürzten Rechtswegs aber doch erforderlich zu sein — soweit es nach der Asyldemontage von 1992 überhaupt noch zu einem Asylverfahren kommt. „Die Einzelrichter, die in der Regel als erste und letzte Instanz urteilen, kümmern sich oft wenig um die von höheren Gerichten aufgestellten Standards“, glaubt etwa der renommierte Frankfurter Asyl-Anwalt Roman Fränkel. „Und da man auch gegen handwerklich schlechte Urteile nur ganz schwer eine Berufung bekommt, bleibt eigentlich nur noch die Verfassungsbeschwerde“, so Fränkel.

Allerdings war die Stimmung unter den engagierten Asyl-Anwälten ziemlich in den Keller gegangen, nachdem das BVerfG im Mai diesen Jahres die Grundgesetzänderung zum Asylrecht ohne größere Skrupel abgesegnet hatte. „Es gibt Kollegen, die sind so frustriert, daß sie überlegen, ganz mit dem Asylrecht aufzuhören“, berichtet Fränkel. „Selbst in eigentlich aussichtsreichen Fällen verzichten Anwälte immer häufiger darauf, Verfassungsbeschwerde einzulegen, weil sie denken, daß der Aufwand sich doch nicht lohnt.“

Diesem Eindruck scheint das Verfassungsgericht nun vorbeugen zu wollen, indem auch positive Bescheide in relativ unbedeutenden Fälle per Pressemitteilung bekannt gemacht werden. Man scheint den Verwaltungsgerichten zeigen zu wollen: Mit uns ist noch zu rechnen. Daß auch die im Asylbereich tätigen Anwälte auf solche Zeichen der Hoffnung reagieren, macht Roman Fränkel klar: „Für mich ist jede Verfassungsbeschwerde, die doch noch durchgeht, eine kleine Sensation und gleichzeitig eine Ermutigung, doch nicht aufzugeben.“

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