Pressefreiheit? Staatsräson!

■ Warum in Bremen die Presse durchsucht wurde

In Bremen haben Staatsanwaltschaft und Kripo die Räume von vier lokalen Zeitungsredaktionen, darunter die der taz, und des lokalen Fernsehens durchsucht. „Objekt der Begierde“ war ein behördeninternes Papier, das den Staatsrat des Präsidenten des Senats und Justizsenators Henning Scherf, Prof. Reinhard Hoffmann, belastet: Es handelt sich um den Entwurf eines Rechnungshof-Berichtes über haushaltsrechtliche Vorwürfe gegen Hoffmann, über die vor Wochen bereits ausführlich berichtet worden war. Die Staatsanwaltschaft wollte schlicht herausfinden, über welches Fax das Papier den Journalisten zugespielt worden war.

Denn Staatsrat Hoffmann ist nicht irgendwer. Hoffmann ist die starke rechte Hand im Rathaus, unverzichtbar für den SPD-Spitzenmann Henning Scherf, der nebenbei auch Justizsenator ist und damit die politische Verantwortung für Ermessensentscheidungen der Staatsanwaltschaft trägt. Schon bei geringfügigeren Vorgängen läßt sich der Senator über die Ermittlungen seiner Staatsanwälte auf dem laufenden halten. Pikanterweise geht es zudem um Haushaltsverstöße, für die der damalige Bildungssenator die Verantwortung trägt, und der heißt – Scherf.

Nur dieser politische Zusammenhang kann das Zuschlagen der Staatsanwaltschaft erklären. Denn die Indiskretion selbst war banal. Es ging um an sich harmlose, alltägliche Dinge im Kontext der Schulreparatur-Finanzierung. Außerhalb Bremens hätte sich kaum jemand dafür interessiert. Nur: Hoffmann wäre über die Affäre wohl gestürzt. Das macht die Durchsuchung so schlimm. Denn wenn dies die Meßlatte ist, über die ein staatsanwaltschaftlicher Durchsuchungsantrag kommen muß, dann kann die Kripo fast jeden Tag in jede Zeitungsredaktion marschieren. Deshalb ist dieser Vorgang ein politischer Skandal, der Bremen in den Geruch einer Bananenrepublik bringt. Der Bürgermeister läßt die Staatsanwaltschaft in die Redaktionsstuben ziehen.

Henning Scherf redet sich nicht einmal damit heraus, er habe von dem Eingriff in die Pressefreiheit nichts gewußt. Und die CDU schwieg gestern beharrlich zu dem Kripo-Auftritt. Hier schlägt das Kartell an der Macht zu. Große Koalitionen sind immer Gift für die politische Kultur. Klaus Wolschner