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Telekom-Aktie soll unters Volk

Die größte Börsenemission in der Geschichte Europas: Gestern wurden die ersten Rahmenbedingungen für die kleinen Leute bekanntgegeben  ■ Von Reiner Metzger

Alles ist größer. Auf dieses Fazit kann man die Privatisierung der Deutschen Telekom bringen: Spätestens am 18. November soll Europas größte Telefongesellschaft an die Börse gehen. Nach der Privatisierung der japanischen Telefongesellschaft NTT startet die Telekom die zweitgrößte Emission der Börsengeschichte.

In einem ersten Schritt werden 500 Millionen Aktien zu je fünf Mark von der Telekom ausgegeben. Der Tageskurs wird jedoch deutlich über dem auf dem Anteilsschein aufgedruckten Wert „5“ liegen – wie hoch genau, steht erst nach der Versteigerung der Aktien fest (siehe Kasten). Telekom-Vorstandschef Ron Sommer betätigte sich schon als Bonner Orakel: „Die Telekom-Aktie wird weniger kosten als ein Kinobesuch mit der Familie“, so sein Kommentar. Je nach Familienverhältnissen schätzen die in solchem Fall zitierten Experten den Ausgabekurs zwischen 25 und 50 Mark.

Selbst wenn eine Aktie nur 30 Mark kosten sollte, müßten die Käufer auf einen Schlag 15 Milliarden Mark lockermachen. Das ist im Verhältnis zum gesamten Anlagevermögen in Deutschland zwar nicht die Welt. So hat allein die öffentliche Hand im Rekordmonat Dezember 1994 gut 27 Milliarden Mark an Anleihen bei ihren Bürgern und Banken aufgenommen. Doch die Telekom will nicht risikolose festverzinsliche Papiere ausgeben, sondern Anteile an ihrem Unternehmen.

Außerdem soll 1999 die zweite, gleichgroße Tranche an der Börse losgeschlagen werden. Damit wird der Anteil der Bundesregierung an der Telekom von jetzt 100 auf 66 Prozent sinken. Mit den vielen Milliarden aus den Aktienverkäufen muß die Telekom ihre Kriegskasse füllen, um gegen die schwerreiche Konkurrenz auf dem Telekommunikationsmarkt zu bestehen: Ab 1998 darf jeder Telefonanschlüsse verkaufen. Mannesmann, Thyssen oder auch die Energieriesen RWE, Viag und Veba werden dann versuchen, vor allem die lukrativen Großkunden abzuwerben.

Ob der Kurs der Telekom-Aktie top ist oder ein Flop, ist noch offen: Wenn sie ihre derzeit beherrschende Stellung in Deutschland halten kann, bleiben die Gewinne und damit auch Börsenkurse und Dividenden oben. 1995 lag der Konzerngewinn bei immerhin neun Milliarden Mark. So hoch wird er bei wachsender Konkurrenz nicht bleiben. Sogar wenn die Telekom wesentlich kundenfreundlicher wird, gehen Marktanteile verloren.

Abstürzen wird der Kurs allerdings kaum. Einerseits betreuen 35 große deutsche Banken die Aktienemission und setzten ungern ihren Ruf aufs Spiel. Andererseits will die Bundesregierung nach dem Jahr 2000 ihre verbleibenden 66 Prozent verkaufen – je höher der Kurs, desto besser für die Staatskasse. Da ist es wohl nicht zu weit hergeholt, daß der Bund zur Not mit gesetzlichen Vorschriften für die Mitbewerber die Telekom vor dem Absturz bewahrt.

Um im November die zweistellige Milliardensumme loszueisen, geht die Telekom auch gleich an die Börsen in New York und Tokio. Außerdem will sie eine Urangst der Deutschen überwinden: die vor Risiko. Die Deutschen sind Aktienmuffel, nur jeder neunzehnte besitzt eine. Dabei ist trotz gelegentlicher Kursabstürze an der Börse über die Jahre gesehen die Rendite bei Aktien wesentlich höher als bei Bundesanleihen oder gar dem Sparkonto. Im Börsenmusterland USA besitzt jeder fünfte eine Aktie. Dort werden Aktienkurse in den Hauptnachrichten verlesen. Ohne die Einkünfte aus Dividenden und Aktienverkäufen müßten US-BürgerInnen im Alter ihren Gürtel wesentlich enger schnallen. Sie können es sich nicht leisten, Zinsen an Banken und Versicherungen zu verschenken, wie es viele Deutsche tun.

Weil über die Angst oft ein Bonus hinweghilft, haben die Netzbetreiber aus Bonn ein paar Schmankerl für Privatanleger vorbereitet: Otto und Klara Normalverbraucher kriegen einen Rabatt von einem bis fünf Prozent auf den Kaufpreis – wieviel genau, wird laut Telekom erst im Oktober bekanntgegeben. Schließlich soll das Interesse der Öffentlichkeit bis zum Schluß wach bleiben. Treue Käufer, die ihre Aktie 1999 bei der zweiten Tranche noch haben, bekommen für zehn Aktien eine geschenkt. Und die Aktionäre steigen zwar erst im November ein, erhalten aber schon die gesamte Dividende für das Jahr 1996. Außerdem verlangen Deutsche und Dresdner Bank geringere Gebühren, als sonst bei Aktienkäufen in kleinen Mengen üblich.

Angst müßten eigentlich nur die Angestellten der Telekom haben: Sie erhalten zwar Aktien mit einem Rabatt von 40 Prozent. Doch drohen ihnen massive Entlassungen, damit die Telekom mit der privaten Konkurrenz mitbieten kann: Angenommen, die Telefonkosten sind bei allen Anbietern etwa gleich. Dann entscheiden die Kosten über die Gewinnschwelle. Bei der Telekom erwirtschaften umgerechnet auf Vollzeitkräfte etwa 210.000 Menschen 1996 einem Umsatz von voraussichtlich 60 Milliarden Mark – pro Kopf knapp 300.000 Mark. Der Konkurrent Mannesmann mit seinem D2-Netz legte am Montag seine Bilanz vor. Der Pro-Kopf-Umsatz bei D2 liegt über 400.000 Mark, ein Drittel mehr als bei der Telekom. Wenn der Telefonriese auf dieses Niveau rationalisieren will, muß er bis zum Jahr 2000 mehr Angestellte entlassen, als bislang vorgesehen. Und das waren auch schon 45.000.

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