: Kassenwechsel, wozu eigentlich?
■ Ein Gespräch mit der „AG der Verbraucherverbände“
taz: Wer wird die Krankenkassen wechseln?
Udo Puteanus: In erster Linie diejenigen, die hohe Beiträge zahlen – also die Versicherten mit guten Einkommen. Eine zweite Gruppe sind die Preisbewußten. Menschen, die im Supermarkt Preise vergleichen, werden auch bei der Versicherung auf Unterschiede achten.
Worauf müssen die Versicherten beim Kassenwechsel achten?
Kleinere Krankenkassen wie Betriebskrankenkassen haben häufig nur in einer Stadt ihre Geschäftsstellen. Kunden aus anderen Orten müssen alle Fragen schriftlich oder telefonisch regeln. Das kann für chronisch Kranke oder für alte Menschen, die oft zum Arzt müssen, ein Problem sein. Sie werden häufig in einer Ortskrankenkasse bleiben wollen, weil sie auf den Sachbearbeiter in ihrer Nähe angewiesen sind. Auch sind bestimmte Betriebs- und Innungskrankenkassen nur in einigen Bundesländern geöffnet. Nach solchen Dingen sollte man sich bei den Bundesverbänden der Betriebs- und Innungskrankenkassen erkundigen.
Bieten manche Kassen Sonderleistungen, die einen Wechsel interessant machen?
Wer von seiner Kasse nur erwartet, im Ernstfall im Krankenhaus versorgt zu sein, für den sind alle Krankenkassen gleich gut. Es gibt aber Kassen, die mehr Service bieten. Manche leisten sich für die Beratung ihrer Versicherten sogar Ärzte und Apotheker. Diese Fachleute bieten sachkundige, unabhängige Beratung. Das ist ein sinnvolles Serviceangebot, weil in Zukunft mit der Ausgrenzung von immer mehr medizinischen Leistungen gerechnet werden muß. Solche Sonderleistungen können natürlich vor allem große Kassen bieten.
Der zweite wichtige Punkt ist die Unterstützung von Versicherten bei Behandlungsfehlern. Es ist hilfreich, wenn eine Krankenkasse vorab klären kann, ob eine Klage gegen den behandelnden Arzt Aussicht auf Erfolg hat.
Ist bei den Krankenkassen schon der Konkurrenzkampf um neue Mitglieder ausgebrochen?
Subtil läuft da eine ganze Menge ab. Die Kassen bemühen sich um Gutverdienende: So hat zum Beispiel der „Kampf im Lohnbüro“ schon begonnen. Dabei machen die Krankenkassen bei ausgewählten Arbeitgebern Werbung, beispielsweise für ihre geringen Beitragssätze. So werden manche Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern in eine preisgünstige Kasse gedrängt, bei der sie vielleicht gar nicht Mitglied sein wollen. Umgekehrt wird aber auch versucht, geringe Beitragszahler, die viel Geld kosten, loszuwerden. Ich erinnere nur daran, daß die brandenburgische AOK die bei ihr versicherten Rentner in Templin darauf hinwies, daß es billigere Kassen im Ort gäbe, und sie indirekt zum Kassenwechsel aufforderte.
Wieviel läßt sich für den Versicherungskunden durch einen Kassenwechsel sparen?
Auch wenn sich die Beiträge der verschiedenen Krankenkassen in den letzten Monaten angenähert haben, kann es immer noch Preisunterschiede von mehreren hundert Mark im Jahr geben. Wir raten den Verbrauchern, sich erst in der letzten Septemberwoche für eine Kasse zu entscheiden. Bis dahin wird vielleicht klarer sein, ob und wie die Beiträge angehoben werden. Was mir aber bei der gesamten Diskussion zu kurz kommt, ist der soziale Aspekt. Muß Geld wirklich das einzige Kriterium sein? Sollte man seine Entscheidung nicht auch vom Engagement der Krankenkasse für Versicherte mit hohem Krankheitsrisiko und geringem Einkommen abhängig machen?
Wird die freie Krankenkassenwahl Auswirkungen auf die Beitragssätze haben?
Ich gehe davon aus, daß nur acht bis zehn Prozent der Versicherten die Kasse wechseln werden. Dann würde sich wenig ändern. Sollten aber viele Menschen, die niedrige Beiträge zahlen und ein hohes Gesundheitsrisiko haben, in die billigen Betriebskrankenkassen gehen, dann würden diese kleinen Kassen schneller teurer. Interview: Lennart Paul
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