Steine fliegen aufs Glashaus

■ Der Neubau der Akademie der Künste: Streit zwischen Moderne und Tradition

Berlin (taz) – Daß er auf Baugruben neidisch werden könnte, wäre Walter Jens früher nicht im Traum eingefallen. Doch seit der Präsident der Akademie der Künste mit ansehen muß, daß am Pariser Platz die Bagger ein Loch nach dem anderen buddeln und links und rechts vom Brandenburger Tor schon Fundamente für neue Geschäftshäuser, Botschaften und Banken zementiert werden, ist er verdrießlich. Denn neben sich immer höher türmenden Sandhaufen und dem fast fertigen Hotel Adlon liegt das Grundstück der Akademie der Künste samt brettergestütztem Altbau still wie eine Insel im Berliner Baugrubenmeer.

Eigentlich wollte Jens bereits im Juni zum 300. Geburtstag der Akademie den Grundstein für einen Neubau „in einer modernen, nüchternen und zugleich schönen Architektursprache“ legen. Doch der Entwurf des Architekten Günter Behnisch steht auf der schwarzen Liste des Bausenators Jürgen Klemann (CDU), der für möglichst viel klassizistisches Zierat beim Wiederaufbau des einst berühmten „Karrees“ kämpft. Einen solch „absonderlichen Glaskasten“, monierte der Bausenator schon bei seinem Amtsantritt im Februar, werde er nicht genehmigen. Die transparente Fassade zur Platzseite – durch die Behnisch in die noch erhaltenen Atelierräume hineinsehen läßt – passe nicht in das städtebauliche Ensemble rund um das Brandenburger Tor.

Nach Klemanns Ansicht dürfen in der „guten Stube Berlins“, entsprechend den historischen Vorbildern, nur Häuser mit steinernen Fronten gebaut werden. Architekten wie Behnisch, die dort ihre künstlerischen „Duftmarken“ hinterlassen wollen, müssen ihre Pläne verwerfen oder gehen. Daß Behnisch nun den Wettbewerbsentwurf für den Glaspalast überarbeitet hat und die Fassade in einer feinen Konstruktion aus Glasflächen und Stahlprofilen gar die historisch verwandte Gliederung des Altbaus zitiert, ignoriert Klemann ebenso wie die Tatsache, daß er fast allein nach Steinwänden ruft.

Neben Bundespräsident Roman Herzog und Bauminister Klaus Töpfer (CDU) haben sich die Architektenverbände für eine moderne Fassade ausgesprochen. Selbst Klemanns neue Baudirektorin Barbara Jakubeit (parteilos), noch keinen Monat im Amt, hat sich auf die Behnisch-Seite geschlagen und für eine „gläserne Vitrine“ plädiert. Peter Strieder, SPD-Stadtentwicklungssenator in der Großen Koalition, sieht den Bausenator und dessen Partei darum „ziemlich isoliert“ und fordert, die „transparente Architektur“ endlich zu bauen. Strieder: „Offenbar hat die CDU Angst, daß Berlin modern wird, und will mit einer gemütlichen Architektur die Umbrüche kaschieren.“

Das Beharrungsvermögen des Bausenators hat neben einem geschmäcklerischen noch einen politischen Hintergrund: Für die Glaskiste, so Klemann, könne die sogenannte „Gestaltungssatzung“, die den Aufbau der Fassaden wie zu Kaisers Zeiten festlegt, nicht außer Kraft gesetzt werden. Damit hinter dem Brandenburger Tor kein baulicher Wildwuchs aus dem Boden schießt, hatte 1994 Klemanns Vorgänger, Wolfgang Nagel (SPD), „Gestaltungsregeln“ vom Abgeordnetenhaus absegnen lassen. Die Größe der Fenster waren darin ebenso bestimmt worden, wie der Aufbau der Fassaden mit fünfzig Prozent steinernem Material. Die Botschaften der USA, Englands und Frankreichs, die Dresdner Bank und die DG-Bank, die Häuser Liebermann und Sommer sowie das Hotel Adlon sollten zwar keine originalen Rekonstruktionen, aber doch Reminiszenzen an die Altbauten werden.

Daß zwischen den vielen postmodernen Alt-Neu-Versuchen der Behnisch-Entwurf wie ein Kristall herausragt, hat der damalige Bausenator wohl gespürt. Kurz vor seiner Abwahl aus dem Bauamt genehmigte Nagel den Bauvorbescheid für die Akademie samt Bebauungsplan für den Pariser Platz.

Weil der Bauvorbescheid und der Bebauungsplan so etwas wie die Ausnahme und die Regel darstellen, zog Klemann erst einmal den Vorbescheid zurück und fordert nun, daß „auch der neue Entwurf weiterer Überarbeitungen bedarf“. Das Überarbeitungsspielchen wollen freilich weder der Architekt noch Walter Jens weiter mitmachen. Während Behnisch den sturen Bausenator aufforderte, eine Entscheidung zugunsten der modernen Fassadengestaltung zu treffen, will Jens „auf keinen Fall historisierende Klischees“ bedienen. Die Akademie, in der einst Max Liebermann, Käthe Kollwitz und Fritz Cremer ihre Ateliers hatten, sei ein „offenes Haus“ – der Modernität verpflichtet. Außerdem müsse der Senat, der für den Bau einen Investorenwettbewerb ausloben will, schnellstens Planungssicherheit herstellen, „denn welcher Investor baut ohne fertige Pläne“.

Der Bausenator bleibt bockig und spielt auf Zeit. Als weitere Verzögerungstaktik sehen die Behnisch-Befürworter jetzt den Streit zwischen der Bau- und der Kulturverwaltung um die Finanzierung „bauvorbereitender Maßnahmen“ in Höhe von 2,5 Millionen Mark. Während Kultursenator Radunski (CDU), der von der Fassade angetan ist, meint, daß die Bauverwaltung die Kosten trägt, sieht diese es umgekehrt.

Damit Bewegung in die Sache kommt, wollen die Bündnisgrünen noch im August einen Antrag ins Parlament einbringen, den Glaspalast planungsrechtlich zu ermöglichen. Ob die SPD mitstimmt und damit den Koalitionsfrieden riskiert, ist offen.

Daß am Ende alles doch ganz schnell gehen könnte, glaubt zwar niemand, eine Hoffnung auf eine baldige Baugrube allerdings bleibt: Weil der Nachlaß des Komponisten Arnold Schönberg nach Berlin kommen soll, dies aber an eine rasche Realisierung des Akademieneubaus geknüpft ist, setzt die Akademie nun auf den Regierenden Bürgermeister Diepgen und dessen Machtwort. Denn man weiß: Diepgen ist scharf auf den Nachlaß und nichts wäre peinlicher, als wenn der Stadt wieder ein Schatz durch die Lappen ginge. Rolf Lautenschläger