Grundstück mißbraucht, Abrieb hinterlassen

■ Sohn des Hauses schützt Vorgarten mutmaßlich freiheitsberaubend und nötigend

Mißbraucht werde das Grundstück häufig zum Wenden, beschwert sich der Angeklagte Dirk B. Und das führe, empört sich seine Mutter als Zeugin, zu diesem unerhörten Abrieb. Als im März diesen Jahres wieder einmal ein LKW-Fahrer unbefugt auf dem Hof der Spedition B. seine Runde drehte – trotz energischen Abwinkens der Mutter vom Bürofenster aus –, da stellte der Sohn den Mann zur Rede. Laut Aussage des betreffenden Fahrers soll er einen Rottweiler dabeigehabt und das Firmentor vorsorglich geschlossen haben. Das „beeindruckende und bildhübsche“ Tier, widerspricht der Angeklagte, sei während des Vorfalls im Zwinger gewesen.

Selbstjustiz, wie der Richter unterstellt, sei dies bestimmt nicht gewesen. Er habe nur sein Eigentum schützen wollen. Eigentümlicherweise bestand B. zu Beginn seiner Vernehmung jedoch darauf, daß er lediglich Angestellter im Betrieb des Vaters sei. Ohne Gewinnbeteiligung, mit 2500 Mark netto im Monat und dem schönen Privileg, den Rottweiler von Zeit zu Zeit auch in seinem Büro beherbergen zu können. „Der setzt sich da hin, läßt sich streicheln“, schwärmt der Angeklagte. Und belle nur dann, wenn er jemanden nicht kennt.

Der LKW-Fahrer bliebt dennoch lieber im Führerhaus seines Lasters sitzen. Über Funktelefon rief er die Polizei. Eigentlich hatte er Weisung von B. erhalten, seinen Chef wegen einer Übernahme der Reinigungskosten anzurufen. „Wir wollen ein gepflegtes Grundstück haben“, stärkt B.s Mutter ihrem 33 Jahre alten Jungen den Rücken. „Es ist nicht einzusehen, daß wir die Abriebspuren immer auf eigene Kosten beseitigen lassen.“ Während die eigenen Fahrer sich stets langsam auf dem Hof fortbewegten, erklärt der Angklagte, sei der zur Rede Gestellte schnell gefahren – und nur das hinterlasse Spuren. Um den Fremden zur Langsamkeit zu erziehen, habe er einen der Torflügel geschlossen.

Angeklagt ist B. jedoch wegen Freiheitsberaubung. Auch eine Verurteilung wegen Nötigung sei nicht ausgeschlossen, belehrt ihn der Richter. „Was würden Sie denn tun, wenn sich jemand in ihren Vorgarten setzt“, fragt er den Angklagten. „Den würde ich gehen lassen“, meint B., „wenn er nichts beschädigt hat.“

Gehen hätte auch der Angeklagte können gegen Zahlung einer Geldbuße von 1500 Mark. Dieses richterliche Angebot schlug er aus. Statt einer amtsgerichtlich üblichen Dreiviertelstunden-Verhandlung muß B. nun einen zweiten Verhandlungstag am kommenden Montag in Kauf nehmen und einen Richter, der sich bereits gestern ausgesprochen bissig zeigte: „Mit Ihrem Rottweiler werde ich allemal fertig.“ Stefanie Winter