: Zweifel an der richtigen Balance
In Schweden ist die Eurowährung noch kein Thema ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff
Die SchwedInnen sind die EU- skeptischsten EuropäerInnen, eine klare Mehrheit würde sich nicht viel mehr als ein Jahr nach dem Volksabstimmungs-Ja gegen Brüssel aussprechen, und eine kompakte Minderheit will lieber heute als morgen wieder aus der EU austreten. Kein Wunder, daß die Regierung keine Eile bekundet, das Land einer Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) anzuschließen. Erst mal sehen, wie's läuft, und überhaupt frühestens 2002, wenn das Volk es will – so läßt sich die sozialdemokratische Taktik Stockholms zusammenfassen.
Der Euro ist daher erst recht noch kein Thema, und zusammen mit Großbritannien hat man sich erfolgreich dagegen verwahrt, die eigene Währung künftig fest an den Kurs des Euro knüpfen zu müssen. Industrie und Gewerkschaften sind sich ausnahmsweise einig und befürchten eine kräftig steigende Arbeitslosigkeit als Folge eines WWU-Beitritts. Lars Jonung, Volkswirtschaftsprofessor und als Mitglied eines Konjunkturrats Mitverfasser eines alljährlichen Rapports der „schwedischen Wirtschaftsweisen“, hat keine Zweifel, was ein Nein zu Euro und WWU angeht: „Für eine offene Wirtschaft wie die schwedische ist der Wechselkurs von zentraler Bedeutung. Der Profit der Wirtschaft ist daran gebunden und damit der Spielraum für Investitionen und Beschäftigung.“ Schweden habe nur Vorteile mit beweglichen Wechselkursen gehabt, „Änderungen im Wert der Krone konnten wie Stoßdämpfer bei kräftigen nationalen und internationalen Störungen eingesetzt werden“.
Schweden: „für Euro und Währungsunion nicht reif“
Wenn Schweden sich einer Währungsallianz anschließe, so Jonung, müßten andere Anpassungsmechanismen geschaffen werden, um zukünftigen Störungen begegnen zu können, da es dann keinen beweglichen Wechselkurs mehr gebe. „Die einzige wirkliche Alternative wäre eine flexiblere und anpassungsfreundlichere schwedische Volkswirtschaft, wo Preise und Löhne leicht beweglich sein müßten, nach oben wie nach unten, und wo Arbeitskraft und Kapital schnell zwischen verschiedenen Unternehmen und Regionen umverteilt werden können.“
Im Klartext hält Jonung WWU und Euro für Schweden nur für realistisch, wenn vom geltenden Arbeitsrecht und der aktuellen Position der Gewerkschaften so gut wie nichts mehr übrig ist. Weil dies illusorisch ist, sei Schweden „für eine Währungsunion auf überschaubare Zeit nicht reif, selbst wenn wir formal die Konvergenzkriterien des Maastrichtvertrags erfüllen sollten. Manchmal hört man die Auffassung, mit den in der schwedischen Volkswirtschaft notwendigen Reformen könne man warten, erst einmal Mitglied in der WWU werden, den Euro einführen, und dann würden die Reformen als zwingende Notwendigkeit schon kommen.“
Eine Strategie, die Lars Jonung – und mit ihm die Mehrheit der VolkswirtschaftlerInnen – für ein unverantwortliches Risiko hält, so wie das gesamte WWU-Projekt als politisches, nicht wirtschaftlich gefordertes Hochrisikoprojekt eingeschätzt wird. Schließe sich Schweden weder WWU noch Euro an, würde alles andere als ein freies Wechselkursverhältnis zum Chaos führen. Nur „ein freier Wechselkurs in Kombination mit der Preisstabilisierungspolitik der Reichsbank“ räume Schweden den notwendigen Handlungsspielraum ein.
Lars Jonung traut einer zukünftigen europäischen Zentralbank nicht zu, ein so effektiver Kontrollfaktor sein zu können wie die nationalen Zentralbanken. Schon jetzt habe man seine Schwierigkeiten mit der Geld- und Finanzpolitik der deutschen Bundesbank, die ansatzweise bereits die Rolle einer europäischen Zentralbank spiele. Im übrigen – und dies sei ein Denkfehler im gesamten Euro-Modell – sei nicht nur Schwedens Außenwirtschaft in viel höherem Maße vom Wert außereuropäischer Währungen, insbesondere des Dollar, abhängig. Jonungs Fazit: abwarten und das Schicksal von WWU und Euro von außen beobachten. „Dann wird man sehen, wie der Markt Konkurrenz und Vielfalt auf dem Gebiet der Währungspolitik bewertet.“
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