: Todesurteil im Namen der Demokratie
■ Süd-Koreas ehemaliger Präsident Chun Doo Hwan wird für seinen blutigen Militärputsch zum Tode verurteilt. Sein Nachfolger Roh Tae Woo kommt mit 22 Jahren Haft davon. Das Volk lehnt eine Begnadigung der Diktatoren ab
Seoul (taz) – Das Bezirksgericht von Seoul hat den ehemaligen südkoreanischen Staatschef Chun Doo Hwan gestern wegen Meuterei und der Führung eines „inneren Kriegs“ zur Todesstrafe verurteilt. Chun hatte 1979 in einem blutigen Militärputsch die Macht an sich gerissen und Süd- Korea bis 1988 diktatorisch regiert. Er trägt die Verantwortung für das Massaker, das die Armee bei einem Aufstand in Kwangju 1980 anrichtete.
Chuns Nachfolger und engster Verbündeter Roh Tae Woo, der die ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen Süd- Koreas 1987 gewann und von 1988 bis 1992 regierte, wurde zu 22 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Im gleichen Verfahren erhielten ein weiteres Dutzend Generäle Freiheitsstrafen zwischen vier und zehn Jahren. Unklar blieb nach dem Urteil, wer von den Verurteilten Revision einlegen würde. Eine Begnadigung der Angeklagten, die der Präsident verfügen kann, lehnen nach Umfragen 67 Prozent der SüdkoreanerInnen ab.
„Die Vergangenheitsbewältigung ist heute nach dem Gesetz realisiert worden“, würdigte ein Sprecher der Regierungspartei des amtierenden Präsidenten Kim Young Sam gestern das Urteil. Der ehemalige Dissident Kim war 1993 mit Hilfe Rohs und Chuns an die Macht gekommen. Anschließend setzte Kim eine Säuberung des Militärs durch, welche die Voraussetzungen für den Prozeß gegen seine Vorgänger schuf. Im Herbst 1995 verabschiedete das Parlament schließlich ein Gesetz, das die Verjährung besonderer Verbrechen unter der Diktatur aufhob. Die Staatsanwaltschaft klagte Chun und Roh daraufhin der Verbrechen „gegen die Menschlichkeit und gegen die Demokratie“ an.
Trotz der harten Strafen gegen die früheren Präsidenten kritisierte die Opposition in Seoul den Spruch der Richter. „Einige Generäle sind von der Schuld am Massaker in Kwangju befreit worden. Es ist nicht richtig, einige Täter nicht zu bestrafen“, sagte ein Oppositionssprecher.
In der Millionenstadt Kwangju im Südwesten nahmen die meisten Bürger das Urteil positiv auf. In Kwangju war es im Mai 1980 zu einer Massenerhebung gegen das damals neue Chun-Regime gekommen. Bei der Niederschlagung des Aufstands verübten Soldaten ein in der südkoreanischen Geschichte beispielloses Massaker an Zivilisten, für das der Richterspruch Chun und Roh erstmals von offizieller Seite die Verantwortung zuweist.
Für Überraschung sorgten gestern außerdem die Verurteilung von zwei der mächtigsten Konzernmanager Süd-Koreas: Die Vorsitzenden der Samsung- und Daewoo-Gruppe, Lee Kun Hee und Kim Woo Jung, wurden wegen Bestechung Chuns und Rohs mit je zwei Jahren Freiheitsentzug bestraft. Obwohl beide Revision einlegen wollen, erwartet man, daß sie ihre Karriere nicht fortsetzen können.
Auch Chun und Roh wurden in ihrem Verfahren wegen der Annahme von Bestechungsgeldern verurteilt. Sie wurden zu Geldstrafen in Höhe von je rund 400 Millionen Mark verurteilt – nach Ansicht des Gerichts die Summe, die die beiden von Firmen angenommen haben sollen. Die Korruptionsverfahren wurden allerdings in den Hintergrund gestellt, da auch der jetzige Präsident Kim von Wahlkampfhilfen profitiert hat. Georg Blume Seite 9
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