: Mit Hufeklappern Sicherheit demonstrieren
■ Reiterstaffel der Polizei wehrt sich mit Zähnen und Klauen gegen Auflösung aus Spargründen. Consultingfirma hält die berittene Truppe für zu teuer und uneffektiv
Das letzte Stündlein der Polizei- Reiterstaffel hat offenbar geschlagen. Bündnis 90/Die Grünen finden schon seit sechs Jahren, daß das Relikt aus Kavalleriezeiten aufgelöst gehört und die Gäule auf brandenburgische Wiesen in den Ruhestand geschickt werden. Aber Senat und Polizeiführung wagten es bislang nicht, die heilige Kuh anzutasten. Der Sparzwang und die Consultingfirma Mummert und Partner könnten es nun möglich machen. Die Beraterfirma, die die Polizei auf ihre Wirtschaftlichkeit durchleuchtet, hat in einem internen Bericht festgestellt, daß die 74 Reiter und 65 Pferde zu teuer und uneffektiv sind. Die Truppe kostete 1995 rund 14 Millionen Mark.
Die betroffenen Reiter verteidigen ihren Besitzstand mit Zähnen und Klauen, indem sie Besserung geloben. Auf einer gestern einberufenen Personalversammlung wurden „neue Wege“ für eine effektivere Arbeit der Reiterstaffel vorgestellt. „Das Einsatzmittel Pferd ist zu wertvoll, um darauf zu verzichten“, erklärte der Personalratsvorsitzende Burkard von Walsleben der taz und machte folgende Rechnung auf: Der Löwenanteil der 14 Millionen Mark für die Reiterstaffel gehe laut Haushaltsplan für Gebäude und Personalkosten drauf; für letztere genau 97,5 Prozent. Diese Personalkosten blieben der Polizei in jedem Fall erhalten, auch wenn die Beamten versetzt würden. Futter und Pflege der Pferde kosteten dagegen im Jahr nur 241.000 Mark; das seien 9,14 Mark pro Pferd und Tag. „Im Vergleich zu anderen Transportmitteln ist das Pferd sehr billig“, so von Walsleben. „Wir sind der Meinung, daß die Reiterstaffel viel effektiver eingesetzt werden könnte“, ergreift Personalratsvertreter Uwe Hund die Flucht nach vorn. Statt wie bisher die Wälder und Erholungsgebiete zu durchstreifen, könnten die Beamten durch Villengegenden mit hohen Einbruchserien reiten und damit die Zivilstreifen entlasten. „Das nächtliche Hufeklappern vermittelt den Bürgern das sichere Gefühl, daß die Polizei unterwegs ist. Die Zivilstreifen sieht man doch nicht“, sagte Hund. Auch bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit könnte die Reiterstaffel die Fußstreifen entlasten, indem sie bei Razzien die Baustellen absperrten. „Vom Pferd aus hat man ein viel größeres Blickfeld.“ Das einzige Problem sei, daß die Reiter bei Festnahmen schnell absteigen müßten. „Das Runterspringen müssen wir noch tranieren.“ Auch zur Begleitung von Demonstrationen sieht Hund Bedarf für die Reiterstaffel. „Statt der vergitterten Gruppenwagen ist es doch viel schöner, wenn vorn und hinten Pferde laufen.“ Für den innenpolitischen Sprecher der Bündnisgrünen, Wolfgang Wieland, sind solche Konzepte der klassische Beweis für den mangelnden Reformwillen innerhalb der Polizei. „Das sind krampfhafte Versuche, um alte Zöpfe zu retten.“ Mummert und Partner wollten sich zum Stand der Beratungstätigkeit nicht äußern. Die Frage, auflösen ja oder nein, werde von „hochpolitischer Bedeutung“ sein, weil das Thema so emotional besetzt sei, vermutete ein Mitarbeiter. Innensenatssprecherin Jobatey wollte keinen Kommentar abgegeben, um den kommende Woche beginnenden Haushaltsberatungen nicht vorzugreifen. Plutonia Plarre
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