: Ohne Autos, Asphalt, Ampeln
Hamburgs erste autoarme Siedlung entsteht am Barmbeker Stichkanal / Bis zur Haustür geht's mit Bussen und Booten ■ Von Marco Carini
Es wird eine Premiere der besonderen Art: Heute gründet sich in Barmbek Deutschlands erste Wohnungsbau-Genossenschaft, deren Mitglieder sich verpflichten, auf eine eigene Benzinkutsche zu verzichten. Für 70 Erwachsene und 26 Kinder ein wichtiger Meilenstein in eine Wohnzukunft ohne Asphalt und Ampeln. Denn die neue Wohnwarft-Genossenschaft soll mit staatlicher Hilfe Hamburgs erste autoarme Siedlung bauen.
Auf einem über 30.000 Quadratmeter großen Gelände zwischen der Saarlandstraße und dem Barmbeker Stichkanal soll im kommenden Jahr mit dem Bau der ersten 125 von insgesamt rund 220 Miet- und Eigentumswohnungen begonnen werden. In ihnen dürfen nur Menschen wohnen, die sich im Kauf- oder Mietvertrag verpflichten, auf die Nutzung eines privaten PKW zu verzichten. „Asphaltierte Straßen und Tiefgaragen wird es hier nicht geben“, sagt der Initiator des Projektes Karsten Wagner.
Um den Traum vom Leben ohne Auto zu ermöglichen, mußte sogar eine Ausnahme von der Hamburger Bauordnung gemacht werden. Statt 0,8 Stellplätzen pro Wohneinheit wird es insgesamt nur 30 Parkmöglichkeiten geben. Sie sind für Behindertentransporte und CarSharing-Wagen vorgesehen.
1993 hatten SPD und Statt Partei in ihren Kooperationsvertrag die Realisierung eines autofreien Pilotprojekts aufgenommen. Damit bis zur Bürgerschaftswahl im Herbst kommenden Jahres schon etwas vorzuweisen ist, drängen auch Senatsmitglieder inzwischen zur Eile. Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow etwa recycelte eine Parole, mit der er schon die Lösung des Hafenstraßen-Konfliktes proklamierte: „Die Stadt soll Ort vieler Lebensstile sein“. Das schließe, so Mirow, auch den bewußten Verzicht auf den privaten Pkw mit ein.
Die Vorteile einer autofreien Siedlung liegen für Karsten Wagner in der Luft. „Es gibt weniger Schadstoffe, mehr Grün und viel Platz zum Spielen und Feiern“, betont der 31jährige Architekt. Damit Lärm und Abgase der 35.000 Wagen, die täglich über die Saarlandstraße brausen, die Wohnwarft-Idylle nicht stören, werden die rund 220 Wohnungen von einem „Wall“ aus mehrgeschossigen Gewerbebauten von der Verkehrsader abgeschirmt. Die bevorzugten Verkehrsmittel der rund 500 Siedlungs-BewohnerInnen werden neben Bahnen und Bussen auch Boote sein, die auf dem angrenzenden Alsterkanal vor Anker gehen können.
Für den passionierten Radler Karsten Wagner macht das Konzept „ökologisch wie ökonomisch“ Sinn. Allein beim Bau der autofreien Siedlung werden über vier Millionen Mark durch den Verzicht auf Tiefgaragen oder Parkplätze gespart. Den Weg für größere Wohngebiete ohne Individualverkehr bereiten daher nicht nur die Hamburger „Genossen“ vor. In Köln, Berlin und andernorts gibt es ähnliche Projekte, die nach den Worten Wagners „aber noch nicht so weit gediehen sind, wie an der Elbe“.
InteressentInnen melden sich bei Karsten Wagner unter Tel: 2006423
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