: Taschengeld für Knackis unpfändbar
■ Gerichtskosten müssen auf andere Weise eingetrieben werden, entscheidet das Bundesverfassungsgericht
Karlsruhe (taz) – Strafgefangenen, die sich vergeblich über ihre Haftbedingungen beschweren, darf künftig nicht mehr das Taschengeld gekürzt werden. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe, als es der Klage eines im hessischen Schwalmstadt einsitzenden Gefangenen stattgab.
Der Strafgefangene M., zu lebenslanger Haft verurteilt, hatte in den letzten Jahren 48mal die Gerichte angerufen, um sich wegen Maßnahmen der Schwalmstädter Anstaltsleitung zu beschweren. Diese Beschwerden blieben allerdings immer ohne Erfolg.
Bis 1993 waren Verfahrenskosten in Höhe von 789 Mark aufgelaufen. Dieses Geld wollte die Gerichtskasse nun eintreiben, indem sie das dem Gefangenen zustehende Taschengeld (rund 50 Mark pro Monat) bis auf einen unpfändbaren Sockelbetrag in Höhe von 30 Mark monatlich in Beschlag nahm.
Hiergegen setzte sich M. gerichtlich zur Wehr. Er ging durch mehrere Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht. Dabei vertrat sein Anwalt folgendes Argument: Für die Pfändung seines Taschengeldes gebe es keinerlei gesetzliche Grundlage. Ein Versuch der Bundesregierung, das Strafvollzugsgesetz entsprechend zu ändern, war bereits 1988 im Sande verlaufen. Das überzeugte auch die mit drei RichterInnen besetzte zweite Kammer des Bundesverfassungsgerichts. Ihr Beschluß: Die Pfändung von M.s Taschengeld verstößt gegen dessen Freiheitsrechte und das Rechtsstaatsprinzip.
„Das ist ein wirklich großer Sieg“, erklärte gestern M.s Anwalt Sven Franke aus Schlangenbad. „Eingriffe in die Rechte von Strafgefangenen bedürfen nach wie vor der gesetzlichen Begründung, dies muß immer wieder neu klargestellt werden“, erläuterte Franke. Er erinnerte an die 70er Jahre, als das Bundesverfassungsgericht erstmals klarstellte, daß die Grundrechte auch in Strafvollzugsanstalten (sowie in Schulen und Kasernen) gültig sind. Erst nach dieser Intervention aus Karlsruhe war 1976 das Strafvollzugsgesetz verabschiedet worden.
In der Sache betrifft die gestrige Entscheidung allerdings nur einen Teil der Strafgefangenen. Taschengeld bezieht nämlich nur, wer unverschuldet nicht arbeiten kann – sei es krankheitsbedingt, sei es aus Mangel an Arbeitsmöglichkeiten.
Die meisten Gefangenen erhalten von ihrem Hungerlohn (für sie bedeuten 300 Mark monatlich schon einen Spitzenverdienst) ein „Hausgeld“, für das das Strafvollzugsgesetz bereits eine Pfändungsmöglichkeit vorsieht (Paragraph 121). Diese Regelung ist allerdings ebenfalls umstritten. Von erfahrenen Knastanwälten wird sie als „Kostenbarriere“ kritisiert, die die meist mittellosen Gefangenen davon abhalte, für ihre Rechte zu streiten. Christian Rath
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