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Neonazis angeklagt

■ Prozeß gegen den Vorsitzenden und Pressesprecher der „Nationalen“

Vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts begann gestern der Prozeß gegen zwei führende Mitglieder der rechtsextremistischen Organisation „Die Nationalen“. Der 52jährige Vorsitzende der „Nationalen“, Frank Schwerdt und der 25jährige Pressesprecher und Beisitzer im Vorstand, Christian Wendt, müssen sich wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen verantworten. Mitangeklagt ist der 21jährige Lutz G., der zuvor noch nicht wesentlich in Erscheinung getreten ist.

Im Verfassungschutzbericht 1995 heißt es, „Die Nationalen“ seien „auf die Größe einer Funktionärsgruppe geschrumpft, also unter zehn Mitglieder“. Der Niedergang der Organisation sei nach dem Wahldebakel im vergangenen Oktober erfolgt. „Die Nationalen“ wollten sich zur Abgeordnetenhauswahl aufstellen lassen, schafften es aber nicht, die erforderlichen Unterschriften zusammenzubekommen. Für den Pressesprecher Wendt steht in diesem Prozeß einiges auf dem Spiel. Im vergangenen Januar wurde er bereits zu sieben Monaten Haft wegen übler Nachrede verurteilt. In der Berlin- Brandenburger Zeitung, dem Organ der „Nationalen“, für das Wendt als Chefredakteur verantwortlich zeichnet, war der brandenburgische Innenminister Alwin Ziel als „Stasispitzel“ diffamiert worden.

Corpus delicti in dem jetzigen Verfahren sind mehrere Ausgaben sogenannter „Schulungsbriefe“. Sie waren in größerer Anzahl bei einer Durchsuchung in den Wohnungen von Wendt und Schwerdt zusammen mit einem Computer nebst Disketten und einer Druckmaschine beschlagnahmt worden. Laut Staatsanwalt wurden die Schulungsbriefe bei Veranstaltungen der „Nationalen“ verteilt. In den Briefen propagierten die Verfasser die „reine Lehre“ des Nationalsozialismus, das 24-Punkte-Programm der NSDAP und bezeichneten „das Weltjudentum als Urheber aller wirtschaftlichen und sozialen Mißstände“. Weiterer Anklagepunkt sind 17 Bücher von Serge Thion, die bei Schwerdt beschlagnahmt wurden. Darin behauptet der Autor, es habe „nicht eine einzige Gaskammer in einem einzigen deutschen Konzentrationslager gegeben“.

Die Angeklagten äußerten sich nicht zu den Vorwürfen. Statt dessen beantragten ihre Anwälte, das Verfahren bis zu einer Prüfung des Sachverhalts durch das Bundesverfassungsgericht auszusetzen: Der Paragraph 130 Strafgesetzbuch, der das Leugnen des Holocaust unter Strafe stellt, verstoße gegen die Gesinnungsfreiheit. Das Gericht wies den Antrag zurück. Friedensstörende Geisteshaltungen fielen nicht unter den Schutz des Grundgesetzes. Plutonia Plarre

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