: Amnestie für ein Verbrechen aus der Apartheidzeit
■ Wahrheitskommission: Mord an südafrikanischem Dorfältesten politisch motiviert
Johannesburg (taz) – Die südafrikanische Wahrheitskommission hat zum ersten Mal seit ihrem Bestehen für ein während der Apartheidzeit begangenes Verbrechen Amnestie gewährt. Betroffen sind zwei Männer, die wegen Mordes an einem ungeliebten Dorfältesten im ehemaligen Homeland Bophuthatswana zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. Der Rest ihrer Haft muß jetzt aufgehoben werden. Chris Magkale und Boy Diale hatten während der ersten öffentlichen Anhörung des für Amnestierung zuständigen Ausschusses der Wahrheitskommission im Mai zugegeben, an dem Mord an dem 85jährigen Glad Mokatle im Oktober 1990 beteiligt gewesen zu sein (die taz berichtete).
Beide hatten geltend gemacht, den Mann aus politischen Gründen umgebracht zu haben. Wie der Anwalt der beiden Männer, Brian Currin, gestern in einem Interview erklärte, habe der Amnestieausschuß das anerkannt. Hintergrund des Mordes war ein jahrelanger politischer Konflikt zwischen dem Stamm der Bafokeng und dem ehemaligen Diktator von Bophuthatswana, Lucas Mangope. Die Bafokeng, auf deren Stammesgebiet die größten Platinminen der Welt liegen, wollten nicht zu dem zerstückelten Homeland gehören, sondern lieber zu Südafrika.
Nach einem gescheiterten Putschversuch im Jahr 1988 mußte ihr Häuptling ins Exil fliehen, und Mangope setzte ein ihm gefügiges Stammesoberhaupt ein, dessen rechte Hand Mokatle wurde. Im Oktober 1990 wurde er von neun Männern entführt, darunter auch Diale und Magkale – allerdings nicht mit dem Ziel, ihn umzubringen, sondern die Schlüssel für das Gemeindezentrum des Stammes zurückzufordern. Damit, so glaubten die Männer, erhielten sie ihre Autonomie zurück. Als der alte Mann sich unerwartet wehrte, brachten sie ihn um, aus Angst, sonst im Gefängnis zu landen.
Mit der Gewährung der Amnestie schafft die Wahrheitskommission jetzt einen Präzedenzfall. Bedingung für einen Straferlaß ist, daß der Täter ein volles Geständnis ablegt und daß die Tat politisch motiviert war. Bisher liegen der Wahrheitskommission rund 500 Anträge auf Amnestie vor, meist von bereits rechtskräftig Verurteilten. Kordula Doerfler
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