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Bankgesellschaft verdient im Datennetz

■ Kultursenator Radunski und die Bankgesellschaft Berlin schließen 18-Millionen-Vertrag über den Aufbau eines Computernetzes zwischen den Stadtbibliotheken. Die Grünen vermuten Filz bei Vergabe

Die Stadtbibliotheken gehen ins Internet. Ein Tochterunternehmen der Bankgesellschaft Berlin soll Computer und Programme liefern, damit die NutzerInnen der Bibliotheken ab 1997 in den weltweiten Datennetzen nach Büchern und Medien recherchieren können. Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen freilich hält die Auswahl der Bank-Tochter BB-Data-Systemhaus für eine „katastrophale Fehlentscheidung“. Die Firma habe zuwenig Erfahrung mit der Vernetzung von Bibliotheken, meint der grüne Datenspezialist Arnold Krause. Wie erst jetzt bekannt wurde, unterschrieb Kultursenator Peter Radunski (CDU) bereits am 30. Mai den Vertrag mit BB-Data und ihrer Partnerfirma aStec über die Summe von 18,5 Millionen Mark. „Das gefährdet die Arbeitsfähigkeit der Bibliotheken auf lange Zeit“, befürchtet Grünenpolitiker Krause. Die Computerprogramme müßten in mühsamer Arbeit erst so gestaltet werden, daß sie einen unproblematischen Zugang zu Bibliotheken außerhalb Berlins zuließen. Auch die Datenbank sei nicht auf dem Stand der Technik.

Nach der Ausschreibung des Auftrags hätten Bibliotheksfachleute zunächst die konkurrierende Hamburger Firma Dynix, einen IBM-Ableger, auf Platz eins gesetzt. Die Kulturverwaltung habe dann aber der BB-Data den Zuschlag erteilt. Ein typischer Fall von Filz, argwöhnt Krause. Bereits bei der geplanten Privatisierung der landeseigenen Glasfaserkabel hätten SenatsmitarbeiterInnen einer anderen Tochter der Bankgesellschaft Berlin durch informelle Vorgespräche Vorteile verschafft.

Die Firma Dynix sei jetzt schlicht sauer und schreibe böse Briefe an Abgeordnete, meint dagegen Radunskis Sprecher Axel Wallrabenstein. Eine ungerechtfertigte Bevorzugung von BB- Data und aStec kann auch Charlotta Flodell nicht erkennen. Sie leitet die ehemalige Amerika-Gedenkbibliothek, die ebenfalls in den Verbund einbezogen wird. „Wir bekommen ein modernes, maßgeschneidertes System. Ich sehe keine Schwierigkeiten beim Zugang zu internationalen Netzwerken“, so Flodell. BB-Data und aStec hätten ihren Sitz im übrigen an der Spree, was die Pflege der komplizierten Hard- und Software wesentlich erleichtere. Auch im Hinblick auf die Sicherung von Jobs in Berlin hält Flodell den Auftrag für „eine glückliche Lösung“.

Herbert Thomé, Projektleiter bei BB-Data, weist darauf hin, daß sein Unternehmen durchaus Erfahrungen im Bibliotheksbereich vorweisen könne. Man habe eine Bibliothek des Umweltbundesamtes ausgerüstet und gerade den Zuschlag für die Vernetzung der Bundestagsbibliothek erhalten. BB- Data hatte mit 18,5 Millionen Mark das billigste System angeboten, während das Paket von Dynix/ IBM 26 Millionen kosten sollte.

Das neue System wird noch in diesem Herbst probeweise in Wilmersdorf und Reinickendorf eingeführt und soll in drei Jahren in allen öffentlichen Bibliotheken laufen. Hannes Koch

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