piwik no script img

Autonomie-Lösung für Moro-Rebellen

Der Friedensvertrag, der heute zwischen der Regierung und der Befreiungsfront unterzeichnet werden soll, könnte den jahrzehntelangen Bürgerkrieg im Süden der Philippinen beenden  ■ Von Sven Hansen

Berlin (taz) – In der philippinischen Hauptstadt Manila unterzeichnen heute die muslimische Autonomiebewegung „Nationale Moro-Befreiungsfront“ (MNLF) und die Regierung ein Friedensabkommen. Damit rückt ein Ende des Bürgerkriegs nahe. Seit 26 Jahren kämpft die muslimische Bevölkerung auf der südlichen Insel Mindanao gegen die christliche Dominanz. Regierung und MNLF hoffen mit dem Abkommen auf einen Wirtschaftsaufschwung, der die Region befriedet. In dem Bürgerkrieg, der in den siebziger Jahren seinen Höhepunkt erreichte, gab es bislang rund 120.000 Tote, 200.000 Menschen flohen ins angrenzende malaysische Sabah.

Das Friedensabkommen sieht die Bildung eines provisorischen „Südphilippinischen Rates für Frieden und Entwicklung“ vor, der Entwicklungsprojekte koordinieren soll. In dem fünfköpfigen Rat unter Vorsitz von MNLF-Führer Nur Misuari sollen die verschiedenen Bevölkerungsgruppen vertreten sein. Nach drei Jahren soll der Entwicklungsrat nach einem Referendum in eine gewählte Autonomieregierung für 14 Provinzen und zehn Städte in Mindanao und Palawan umgewandelt werden. 5.750 MNLF-Kämpfer werden in die philippinischen Streitkräfte integriert, weitere 1.750 in die Polizei. Die restlichen Guerilleros werden entwaffnet, einige erhalten Posten im Staatsdienst. Die Stärke der MNLF schätzt das Militär auf 15.000; die MNLF gibt sie mit 25.000 Kämpfern an.

Das Friedensabkommen war bereits am Freitag in der indonesischen Hauptstadt Jakarta paraphiert worden. Die indonesische Regierung und die Organisation der Islamischen Konferenz hatten in den dreijährigen Verhandlungen vermittelt. Im Anschluß an das islamische Freitagsgebet demonstrierten in Marawi-City 45.000 Menschen für das Abkommen. In der Kleinstadt Duminga auf der Zamboanga-Halbinsel waren dagegen am Morgen mehrere kleine Bomben explodiert, mit denen extremistische Christen gegen das Abkommen protestierten.

Unter den Christen ist das Abkommen umstritten. Soliman Santos vom Gaston-Ortigas-Friedensinstitut bezeichnete die Einrichtung des Entwicklungsrats als „die beste verfassungsgemäße und praktikabelste Lösung“. Die Kongreßabgeordnete Maria Clara Lobregat, eine der lautstärksten Kritikerinnen, nannte das Abkommen „ungenießbar“. Die Christen in Mindanao haben Angst vor einer Islamisierung. Der Stadtrat von Zamboanga-Stadt stellte sogar Gelder zum Kauf von Waffen bereit, um die Stadt gegen den Einfluß der MNLF zu verteidigen. „Wir können Jahrhunderte von Mißverständnissen und Jahrzehnte des Mißtrauens und Konflikts nicht über Nacht beseitigen,“ sagte Ramos zu den emotionsgeladenen Protesten.

Der Konflikt in den Südphilippinen währt seit fast 400 Jahren. Seit der spanischen Kolonialzeit wird die muslimische Bevölkerung in Anlehnung an die Mauren Moros genannt. 150 Jahre vor den christlichen Eroberern kam der Islam ins Land. Den Spaniern gelang es nie, den Widerstand der Moros zu brechen. Sie wurden erst während der amerikanischen Kolonialzeit in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts militärisch besiegt.

Nach Moro-Angaben waren 1946 noch 85 Prozent der Einwohner Mindanaos muslimisch. Heute stellen die Moros nur noch ein Viertel der 20 Millionen Einwohner der Insel von der Größe Österreichs. In den letzten Jahrzehnten hat eine aggressive Migrationspolitik der Regierung die Moros und die indigene Urbevölkerung zur Minderheit werden lassen. Mit dem Versprechen von kostenlosem Land wurden Christen aus dem Norden angelockt und dort zugleich der Druck für Landreformen gemindert. Mit Hilfe der Regierung und des Militärs bemächtigten sich auf der fruchtbaren und rohstoffreichen Insel internationale Konzerne riesiger Ländereien und des Zugangs zu den Bodenschätzen. Die von Manila vernachlässigten muslimischen Gebiete blieben dagegen wirtschaftlich zurück. Sie gehören heute zu den ärmsten Regionen des Landes. Die Lebenserwartung liegt dort zwölf Jahre unter dem Landesdurchschnitt. Der Konflikt zwischen Christen und Moros eskalierte nach der Verhängung des Kriegsrechts 1972. Das Militär stationierte bis zu 80 Prozent seiner Truppen in Mindanao. 1976 wurde in der libyschen Hauptstadt Tripolis ein erstes Friedensabkommen unterzeichnet, das aber nicht hielt. Unter der Regierung von Corazon Aquino fanden in den achtziger Jahren ebenfalls ergebnislose Verhandlungen statt. Erst der seit 1992 amtierende Exgeneral Ramos brachte die Verhandlungen mit dem im saudischen Exil lebenden MNLF-Führer Misuari wieder in Gang. Ramos erkannte, daß ein Wirtschaftsaufschwung nur bei friedlichen Verhältnissen möglich sein würde. Der Weg zum Abkommen war frei.Kommentar Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen