piwik no script img

Alte Professoren helfen sparen

Professoren im Ruhestandsalter sollen an der Universität weiterhin lehren können – auf Kosten junger WissenschaftlerInnen  ■ Von Stefanie Winter

Auch jenseits der Pensionsgrenze sollen Professorinnen und Professoren zukünftig weiter an der Hamburger Universität lehren können. Gestern hat der Senat beschlossen, „in Ausnahmefällen“ den Ruhestand von derzeit 65 auf höchstens 68 Jahre hinauszuschieben. Bereits emeritierten Professoren, die sich im gutbezahlten Ruhestand befinden, werden Fachvertretungsverträge angeboten; anders als in anderen Bundesländern wird dies zusätzlich vergütet. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verbleiben derweil in der Warteschleife – bestenfalls mit Zeit- und Honorarverträgen ausgestattet.

Für eine Fachvertretung durch Senioren sollen monatlich 1750 Mark und zusätzlich die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung locker gemacht werden. Durch die Verschiebung des Ruhestands wird die sonst fällige Pension in Höhe von 75 Prozent der Bezüge gespart und fließt in den Haushalt der Universität. Durch diese „Gutschrift“ eröffneten sich an anderer Stelle dann Möglichkeiten zur Erneuerung des Lehrkörpers und zur Nachwuchsförderung, ist Wissenschaftssenator Leonhard Hajen überzeugt.

Um die Nachteile für potentielle Bewerber für den Prof-Posten gering zu halten, solle die Maßnahme nur ausnahmsweise – wenn etwa zwei Stellen im selben Fach gleichzeitig frei werden – eine Lösung sein. „Ich erwarte, daß die Universität in sehr verantwortlicher Weise damit umgeht.“ Hajen schätzt, daß nur rund zehn Professoren jährlich davon betroffen sein werden. Für zur Streichung vorgesehene Stellen sei die Maßnahme nicht geeignet. Derzeit wird jede zweite frei werdende Stelle nicht wieder besetzt.

Gegen ein zusätzliches Lehrangebot durch emeritierte Professoren hätte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nichts einzuwenden. Das notwendige Angebot der Hochschulen aber müsse zunächst durch junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler abgedeckt werden, erklärt GEW-Sekretär Andreas Hamm. „Viele suchen dringend nach einem Arbeitsplatz. Und haben sowieso schon schlechte Chancen.“

Wenn Mittel für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zur Verfügung stünden, sollte der wissenschaftliche Nachwuchs davon profitieren können. Hajen hingegen zeigt Verständnis für das „berechtigte Interesse“ der Universität, erfahrene Lehrkräfte zu beschäftigen. Wer seine Habilitation hinter sich gebracht hat, hält Hamm entgegen, habe seine Qualifikation bereits unter Beweis stellen müssen. Und könnte sich nun in der Lehre weiterqualifizieren.

Zum Ende des Jahres 1994 waren an der Universität Hamburg bereits 500 der 688 Professorinnen und Professoren älter als 50 Jahre, darunter 69 Frauen und Männer mit mehr als 60 Jahren Lebenserfahrung. Die Universität legt als einzige der Hamburger Hochschulen gesteigerten Wert auf das neue Seniorenprogramm. Die anderen haben eine solche Neuregelung abgelehnt, erklärt Hajen. Sie setzten auf eine Erneuerung des Lehrkörpers.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen