: AfB: Senat verpulvert 150 Millionen
■ Verlegung des Großmarktes für Kleinkrauter lebensgefährlich
Eine kurze Nacht für die Abgeordneten der AfB: Gestern in aller Herrgottsfrühe hat sich eine AfB-Delegation auf den Weg zum Gemüse- und Blumengroßmarkt neben dem Flughafen gemacht. Die Abgeordneten wollten sich ein eigenes Bild von den Hallen machen, weil die nämlich abgerissen und – so der Planungsstand – an den Europahafen umgesiedelt werden sollen. Das ist das erklärte Ziel der Großen Koalition. Kosten der Veranstaltung: 150 Millionen Mark, die aus dem Investitions-Sonderprogramms kommen sollen. „Völlig widersinnig“, zog AfB-Fraktionssprecher Andreas Lojewski Bilanz. „Da soll eine gewachsene, voll funktionsfähige Wirtschaftseinheit zerschlagen werden. Und das auch noch für viel Geld.“
Die Koalition hatte den Umzug vereinbart, weil rund um den Flughafen moderne Dienstleistungsbetriebe angesiedelt werden sollen. Dafür braucht es erstens Platz, und zweitens paßt ein Gemüsemarkt nicht in die Landschaft. Aber erstens, so die AfB, gebe es immer noch genügend Flächen rund um den Airport. Zweitens habe die DASA gerade festgestellt, daß sie 20.000 Quadratmeter Bürofläche abzugeben hätte. Und drittens sorgt sich die AfB vor allem um die kleinen Krauter, die auf dem Großmarkt aktiv sind. Die müßten nämlich, so die Befürchtung, bei einem neuen Standort doppelte Mieten bezahlen. Die seien ihnen von einem möglichen Investor schon angedroht worden, berichtete Heiko Eckhoff, Fruchtimporteur und stellvertretender Vorsitzender des Beirates der Großmarkt GmbH. Eckhoff: „Manche Betriebe sind hier schon seit Generationen. Viele von denen könnten nicht mehr mitziehen.“ Firmen, die auf dem Gelände erweitern wollten, müßten heute schon bei der Stadt unterschreiben, daß sie auf jede Regreßforderung verzichten, wenn der Großmarkt verlegt wird.
Insgesamt haben sich 128 Firmen auf den 45.000 Großmarkt-Quadratmetern angesiedelt. Gerade an den kleinen und mittleren Betrieben hingen viele Arbeitsplätze von ungelernten Kräften, die sonst auf dem Arbeitsmarkt keine Chance hätten, argumentiert Lojewski. Der AfB-Abgeordnete Friedrich Rebers: „wirtschaftlicher Schwachsinn“.
Unumstritten ist die Verlagerung auch in der Koalition nicht. Er sei davon überzeugt, daß eine Verlagerung wegen der Ausweitung des Flughafen-Gewerbegebiets notwendig sei, sagte Detmar Leo, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD. Es seien aber noch viele Fragen ungeklärt. Es gebe weder eine Kosten-Nutzen-Analyse, noch lägen Zahlen über den Ansiedelungsdruck am Flughafen vor. Und beim Standort Europahafen hätte der Hafrensenator auch noch ein Wörtchen mitzureden. J.G.
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