: Bangkoks Luft zu verschmutzt für saubere Chemie
■ Hoechst versucht, seine Standorte an kritische AnwohnerInnen anzupassen
Frankfurt/Main (taz) – In fünf Jahren werde mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten leben, prognostizierte gestern Ernst Schadow, Vorstandsmitglied für den Bereich Umweltschutz von Hoechst, auf dem Konzernforum „Stadt und Chemie“. Und die Produktionsstandorte von Hoechst liegen weltweit mittendrin im „Spannungsfeld“ (Schadow): O-Nitroanisol, Oleum, 4-Amino- Anti-Pyrinsulfonsäure – alles Stoffe, mit denen die Bevölkerung in Griesheim und Schwanheim in den letzten drei Jahren unfreiwillig eingedeckt wurde. Und in Pampa/ Texas flog vor zehn Jahren gleich der ganze Laden von Hoechst-Celanese in die Luft.
Schadow: „Stimmt die Chemie zwischen uns und unseren Nachbarn noch?“ Und Schadow antwortet Schadow in einer für die Öffentlichkeitsarbeit von Hoechst bislang nicht gerade typischen Offenheit: „Wir können nicht so tun, als ginge uns die Welt jenseits des Werkszauns nichts an.“ Gerade im Rhein-Main-Gebiet habe Hoechst in den vergangenen drei Jahren lernen müssen, was es bedeute, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu verlieren. Und Schadow zitierte das Ergebnis einer aktuellen Umfrage von Allensbach: Beim Stichwort Hoechst denken die meisten BürgerInnen in Deutschland – anders als in den Vereinigten Staaten – zuerst an die Störfälle.
Und wie kann Hoechst vom schlechten Image runterkommen? „Transparenz und lückenlose Information“, meint Schadow – und ein funktionierendes Warnsystem. Schadow nannte drei Aspekte für die „gemeinsame Zukunft von städtischem Leben und chemischer Produktion“: Ein permanenter Veränderungs- und Diskussionsprozeß müsse initiiert werden. Der Konzern habe weltweit mit kompetenten Umweltkritikern zusammenzuarbeiten. Und es müßten Verfahren und Produkte entwickelt werden, die öffentlich vermittelbar seien.
Alles noch Zukunftsmusik? In Wölfersheim und in Thüringen jedenfalls versucht die Hoechst/ Schering-Tochter AgrEvo ihre genmanipulierten Pflanzen noch ohne „Einvernehmen mit der Gesellschaft“ hochzuziehen – unter Polizeischutz.
Daß eine hemmungslose Verschmutzung der Umwelt den Konzern selbst zur Stadtflucht veranlassen kann, konnte in Chance, einem von unabhängigen Natur- und Umweltjournalisten verfaßten Umweltmagazin von Hoechst, nachgelesen werden. In Bangkok etwa ist die Luft inzwischen so dick, sind die Gewässer so verdreckt, daß Hoechst dort keine keimfreien Bedingungen etwa zur Produktion von Augentropfen mehr herstellen kann. „Die teuren Ansaugfilter müssen wöchentlich gewechselt werden – und dennoch sind die Anlagen überfordert.“ Fazit: „Während in Europa über stadtgängige Chemie nachgedacht wird, nimmt die Chemieindustrie vor Asiens wuchernden Metropolen freiwillig Reißaus.“ Klaus-Peter Klingelschmitt
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