Frisch wie Becks Bier

■ Hans König inszeniert mit „Große Freiheit Vegesack“ am Wochenende sein größtes Spektakel n

„Große Freiheit Vegesack“, ein Name mit dem Geruch von großer weiter Welt, blauen Wolken und Abenteuer. Das Bild dazu: das Schulschiff Deutschland unter Segeln. Seit Hans Albers „Große Freiheit Nr.7“ hat wohl kaum jemand so konzentriert auf die unwiderstehliche Magie, aber auch die Verlogenheit der Seemannsromantik gesetzt wie Hans König. Dabei will der Erfinder der Imagekampagne weder Aftershave noch Bier verkaufen, sondern Kunst. Aber um am Wochenende möglichst viele Menschen zum open air Theater-Spektakel „Große Freiheit Vegesack“ in den Norden Bremens zu locken, braucht es außergewöhnliche werbetechnische Begabungen. Allein 200 Aktive (Laien, halbprofessionelle und professionelle KünstlerInnen) beteiligen sich an dem vom „Kulturbahnhof Vegesack“ veranstalteten Theaterspektakel. Und gleich gings aufs Ganze. Auf Anregung von Sabine Gedenk sollte das Segelschulschiff eingebaut werden. Und außerdem erhofft man sich, neben dem Spiel der Wellen ein spannungsreiches Zusammenspiel ganz unterschiedlicher künstlerischer Bereiche.

„Das ist wie in Hollywood“, hat Hans König die Bremer Kulturszene durchschaut. „Da hängt dann viel Theorie in der Luft. Und es braucht eine griffige Idee.“ Wie die, die unselige Formulierung „Das Boot ist voll“aus der Aysl-Diskussion nun zum Titel eines Asyl-Projekts zu machen. Wer den Namen erfindet, der weiß vom Unbewußten des Publikums. Begriffe, die aufgehen wie „Falltüren“, nennt Hans König die Methode der Intuition, die auf die Schlagkraft von Assoziationen setzt. Seine Theatertitel müssen zünden wie Revolutionsparolen oder Werbeslogans.

Das hat Tradition bei Hans König, der schon früh seine ganze Hoffnung auf das gesprochene Wort setzte. So groß war der Idealismus, daß er mit 16 Jahren die Schule verließ und eine Karriere als Liedermacher starten wollte. „Ungeheuer politisch und und sehr bitter“ sei er gewesen, erinnert sich der heute 34jährige Autor, der anschließend in Bremen das „Aktionskabarett“ in Leben rief und später so stadtberühmte Institutionen wie „ThéÛtre du pain“ (1986) „Butzbacher und Brommelmeier“ gründete und seit 13 Jahren mit Texten beliefert. „Wir haben aufgehört, Sinn zu machen“, beschreibt der Sprachjongleur ganz ernst sein Programm aus „unlogisch - wilden und grotesken“ Texten, die stark auf die Erinnerung und Surreales Bezug nehmen und es dann mit „Country- und Westernliedern“ verknüpfen. Ein zwar nicht schmackhafter, aber erfolgreicher Cocktail.

Zum Theater kam König allerdings nicht nur über das Wort, sondern auch über Umwege. Einen Job in einer Jugendbildungsstätte beispielsweise, der ihm die Erfahrung vermittelte, wie man mit einer großen Anzahl von Laien in kürzester Zeit ein Spektakel auf die Beine stellt, das das Publikum auch sehen will. Das Geheimnis: ein genauer Plan für das Theaterstück, der wie beim Film den Ablauf regelt.

Der Regisseur hatte sich mit stattlichen 100 Mitspielern beim „Kreuzweg Asyl“ in Freiburg, einem politisch korrekten Passionsfestspiel, an Massenszenen gewöhnt. Im letzten Jahr inszenierte König im Lagerhaus das „Höllen“-Spektakel. Hunderte von engagierten Laien, die sich im Kulturzentrum ein paar Tage lang mit Höllenvisionen auseinandersetzten.

Nun tut Seefahrt not. „Große Freiheit Vegesack“ gewinnt seine Attraktivität nicht nur aus dem maritimen Titel. Im Zentrum steht das Schulschiff Deutschland, das seit Anfang des Jahres in Vegesack liegt und viel zur Identifikation der Bewohner des Stadtteils beigetragen hat. „In jedem Fenster lehnt hier ein maritimes Souvenir“, beschreibt König die Spießigkeit des Viertels. Doch verstehen kann er die Anfälligkeit für Seefahrtsromantik zwischen Hochhäusern allemal.

Das liegt im Blut, schließlich war Königs Vater selbst Kapitän auf einem Frachtschiff, der Sohn durfte bereits mit 13 „durch den Kanal steuern“. Sowas wird man nicht wieder los.

Am Wochenende werden nun 150 Akteure das große Schulschiff erobern. Akrobaten turnen in den Wanten, Maskierte hängen am Mast, und etwa 50 „Seglerfiguren“ führen Königs Texte im Munde, die nach Shakespeare klingen, aber auch von dem Seriendarsteller einer soap opera entliehen sein könnten.

Die „Große Freiheit Vegesack“ ist kein einfaches Laienspieltheater. Beileibe nicht. Weder mit dem originellen Spielort „Schulschiff Deutschland“ („Wir müssen bei den Anfangszeiten auf den Tidehub Rücksicht nehmen“) noch mit der Konstruktion des Ganzen hat Hans König auf einfache Lösungen gesetzt. Ein hochartifizielles Konstrukt, das mit Werkstätten der Lichttechnik, des Theaters und der Akrobatik kooperiert. Neben der „Großen Freiheit“ sind auch die Grenzen der Freiheit Thema des Abends. Der Zug wird an bestimmten Spielstationen immer wieder gebremst. Denn „Arbeit“, „Essen“ und „Kultus“, das sind die Notwedigkeiten des Alltags und die Grenzen der Freiheit. „Ein Stück auf der Deutschland vis-a-vis der Grohner Dühne muß von Sehnsüchten handeln oder vielmehr von dem, was uns sehnsüchtig macht“, heißt es im Programmheft. Das Versprechen steht, die Wette gilt. Am Wochenende segelt das „Traumschiff“ des Hans König auf Jungfernfahrt.

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Die „Große Freiheit Vegesack“ spielt Sa. und So. jeweils um 19.30 auf dem Lürssen-Gelände.