Die deutsch-tschechische Erklärung kommt bald

■ Ein bißchen zänkelt Edmund Stoiber von der CSU aber noch daran herum

Berlin (taz) – Ist sie nun fertig, so gut wie fertig, fertig bis auf drei klitzekleine Kleinigkeiten oder muß sie noch einmal ernsthaft „nachverhandelt“ werden, die tschechisch-deutsche Erklärung? Die Verlautbarungen nach der Bonner Koalitionsrunde vom Donnerstag legen die dritte der vier genannten Möglichkeiten nahe, aber „nix gwieß woaß ma net“, wie man im Hause Stoiber zu sagen pflegt.

Am Donnerstag ließ der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Erdmann, wissen, ein erneuter Gesprächstermin mit dem tschechischen Außenminister Zieleniec sei noch nicht vereinbart. Da heißt es sich sputen. Denn erfreulicherweise hat sich die deutsche Seite jetzt, nach zweifacher Ermahnung durch den Bundespräsidenten, selbst unter Druck gesetzt. Im Spätherbst soll die Erklärung unterzeichnet werden.

Edmund der Zänker blieb sich insofern treu, als er das allseits verordnete Schweigen über den Inhalt der Erklärung brach. Zu den „Vermögensfragen“, den Entschädigungsansprüchen der Sudetendeutschen wegen der Beschlagnahme ihres Hab und Guts nach 1945, erklärte er: „letztlich bleiben die unterschiedlichen Auffassungen bestehen; es gibt beiderseits jedenfalls keinen Schlußstrich“.

Soll das heißen, Stoiber wünscht keine Erwähnung des künftigen Schicksals dieser Ansprüche in der gemeinsamen Erklärung? Oder sollen sich die unterschiedlichen Rechtsauffassungen im Vertrag gegenüberstehen? Alle diese Möglichkeiten würden die Angst der tschechischen Seite vor Schadenersatzansprüchen nicht ausräumen, würden das künftige Verhältnis beider Staaten auf keine verläßliche Grundlage stellen, würden Nationalisten dies- und jenseits des Böhmerwalds etwas zu Beißen liefern. Die Erklärung wäre in diesem Fall in ihrer Substanz entwertet. Stoiber sprach am Donnerstag von drei notwendigen Ergänzungen zur Erklärung, sagte aber auch gestern nicht, welche er meint. Er hob zwei substantielle Verbesserungen im Text hervor, die in den Verhandlungen erreicht worden seien. Zum einen würde jetzt ohne Umschweife vom Unrecht der Vertreibung gesprochen werden, nicht nur von den Untaten, die im Rahmen der Vertreibung geschehen seien. Zum anderen gäbe es Fortschritte, was ein ständiges Aufenthaltsrecht von Sudetendeutschen in Tschechien anlangt. Bei letzterem Punkt hat die tschechische Seite allerdings schon vor einigen Jahren eine großzügige Regelung bis hin zur doppelten Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt, ein Anerbieten, das seitens der deutschen Regierung damals nicht aufgegriffen wurde.

Auch innenpolitisch wurde nach der Koalitionsrunde etwas fingergehakelt. Stoiber ließ wissen, dem Außenminister Kinkel sei aufgetragen worden, die Sudentendeutsche Landsmannschaft über den (jeweiligen) Stand der Verhandlungen zu informieren. Er solle außerdem dafür Sorge tragen, daß ein ständiges tschechisch-sudetendeutsches Forum eingerichtet wird. Umgehend hieß es aus Kinkels Amt, derartige Aufträge seien nicht erteilt worden. Tatsächlich hatte Kinkel nur den Vorsitzenden der Landsmannschaft, Neubauer, informiert, nicht aber den Sudetendeutschen Rat, in dem unterschiedliche politische Strömungen vertreten sind. Insofern wäre es keine schlechte Idee, dem „Auftrag“ zu folgen, wurde er nun erteilt oder nicht. Der zweite angebliche Auftrag hingegen ist absurd. Seit vielen Jahren existieren solche sudetendeutsch-tschechische Foren, und sie haben nützliche Arbeit geleistet. Wer dort teilnehmen möchte, ist willkommen. Ein zwischenstaatlicher Segen ist nicht vonnöten.

Christian Semler

Siehe Kommentar Seite 11