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Mit der Geschichte ins reine kommen

Vom ungewöhnlichen Engagement der deutschen Jüdin Elsa Goldmann  ■ Von Kay Dohnke

Wenn engagierte Mitbürger durch Orden auszeichnet werden, tritt zuweilen ein Engagement ins Blickfeld, das sonst kaum auf breites Interesse stößt: Heute bekommt die Hamburgerin Elsa Goldmann für ihre Arbeit im christlich-jüdischen Dialog das Bundesverdienstkreuz. Sie umreißt ihre Lebensgeschichte als deutsche Jüdin mit nüchternen Worten: „Ich bin Jahrgang 1912, Berlinerin, bin dann in den 30er Jahren ausgewandert. Ich bin nach Ceylon gefahren.“

Die Geschichte hinter diesen knappen persönlichen Daten liest sich so: Da sie einen österreichischen Paß besaß, konnte Elsa Goldmann bis 1938 in Berlin als Sekretärin für die United Press of America arbeiten. Der Anschluß der „Ostmark“ an Hitlerdeutschland setzte sie dem Terror der anti-jüdischen Gesetze und Verordnungen aus. Doch mit Hilfe der Nachrichtenagentur konnte sie das Land verlassen und war für diese erst in London, dann in Zürich tätig.

Nach langen Mühen gelang es Elsa Goldmann, auch ihren Bruder aus Berlin herauszuholen; die Geschwister trafen sich in Marseille und kehrten Europa den Rücken. In Ceylon wollten sie sich eine neue Existenz aufbauen – in sicherer Distanz zu den Nazis. „Und dort hat uns dann der Krieg eingeholt.“ Als Angehörige einer feindlichen Nation wurden sie in der britischen Kolonie interniert.

„Im Lager waren's dann Juden und Nazis zusammen“, erzählt Elsa Goldmann. Und setzt vielsagend hinzu: „Es war also sehr munter. Wir wurden eingeliefert im Dezember 1939, da haben die Nazis gemeint, Weihnachten sind sie wieder zu Hause.“ Doch sie und ihr Bruder mußten diese unliebsamen Zeitgenossen noch weit länger ertragen, auf Ceylon und später in mehreren indischen Camps. In einem lernte Elsa ihren Mann Hans kennen, in Bombay heiratete sie ihn, „einen Dresdner, der kam von Niederländisch-Indien hierher“.

Erst 1945 konnten beide nach Palästina ausreisen. Zwölf Jahre später machten wirtschaftliche Gründe den Umzug nach Hamburg nötig. Das Gefühl für Elsa Goldmann, als Jüdin wieder in dieses Land zurückzukehren, „das kann man gar nicht beschreiben – wenn die beruflichen Gegebenheiten für meinen Mann anders gewesen wären, dann wäre ich nicht gekommen, dann wäre ich in Israel geblieben.“ Ihr Engagement konzentrierte sich daher weiter auf die Unterstützung des jungen Staates: Elsa Goldmann wurde Mitbegründerin des Frauenhilfswerkes für Magen David Adom, das israelische Rote Kreuz.

Stolz klingt in ihren Worten an, wenn sie erzählt, wie über 15 Jahre hin Sachspenden verschickt und beachtliche Geldsummen zusammengebracht wurden. Die Antwort auf die Frage, warum gerade Frauen das Hilfswerk aufgebaut haben, sagt viel über ihren Realitätssinn aus: „Was sollten wir machen, Männer haben doch kein Interesse, nicht wahr...“

Erst viele Jahre später fand Elsa Goldmann eine Arbeit, in der Vergangenheit und Gegenwart für sie dicht nebeneinandertraten: 1979 wurde sie Sekretärin der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. „Ich habe Menschen gefunden, die sich ernsthaft bemühen, mit den Dingen, die waren, irgendwie ins reine zu kommen – weder zu beschönigen, noch zu vergessen.“ Als ihr Mann starb, wurde die Arbeit zum wichtigen Halt – Deutschland war noch immer eine schwierige, eine befremdliche Heimat. „Wenn ich nicht diese Gesellschaft gefunden hätte und hier tätig sein könnte, glaube ich nicht, daß ich dann geblieben wäre.“

Längst ist Elsa Goldmann mehr als „nur“ Sekretärin, Buchhalterin, Telefonistin und Empfangsdame der Gesellschaft – sie ist deren Motor und Mentorin. Und sie will es noch lange bleiben – „nachdem ich 1912 geboren bin, kann man sich ja ausrechnen, wie alt der Kapitän ist...“

Die Anerkennung ihres Einsatzes für die Gesellschaft durch das Bundesverdienst-kreuz bereitet Elsa Goldmann Freude – ihr Leben in Deutschland wird trotzdem wohl nie ganz unbeschwert sein: „Jetzt bin ich hier. Nachdem mich niemand gerufen hat und ich hier freiwillig bin, ist das also meine Sache, wie ich damit fertig werde.“

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