: Gerhard von Schröder und triviale Kunst
■ Jürgen Trittin zerpflückte Biographie über den niedersächsischen Ministerpräsidenten
Bonn (taz) – Jürgen Trittin ist nicht Alfred Biolek, und die Schwester von Gerhard Schröder wurde auch nicht befragt. So wurde die Präsentation der Biographie über den niedersächsischen SPD- Ministerpräsidenten Gerhard Schröder durch Jürgen Trittin, den Vorstandssprecher der Grünen, am Montag abend eine vergnügliche Veranstaltung. Aber nicht für jeden: Den Autoren des Buches, den Bild-Zeitungsjournalisten Béla Anda und Rolf Kleine, gefroren zunehmend die Gesichtszüge, während der Rezensent vor über 100 Gästen in Bonn vom Leder zog. Eines war nach der Trittins Rede gewiß: Wäre das Buch über Schröder nur halb so vergnüglich, könnte es ein Erfolg werden.
„Gänzlich unerfahren bin ich in der Renzension von Werken trivialer Kunst nicht“, leitete Trittin seine Rede ein. Mit mildem Spott beschrieb er den Machtmenschen Schröder, der es fertigbringt, selbst die Autoren seiner Biographie, die ja für eine „unabhängige und überparteiliche“ Zeitung arbeiten, für sich zu instrumentalisieren. „Béla Anda und Rolf Kleine biographieren Gerhard Schröder aus der Sicht von Gerhard Schröder“, sagte Trittin. „Was von Gerhard Schröder über Gerhard Schröder preisgegeben wird, ist das, was Gerhard Schröder preisgeben will.“ Selbst die selbstkritische Offenheit sei inszeniert. Das Image des Machtmenschen sei ebenso gemacht wie das vom Underdog, dem auch ein Lübkescher Fehlgriff nicht fremd sei: „Ich habe Fußball gespielt, wie ihre Neger rennen.“
Scheinbar kleinlich moniert Trittin einen Schreibfehler: Der IG Chemie-Vorsitzende Hubertus Schmoldt sei zu „von“ Schmoldt gemacht worden, wie der gleichnahmige Herr des Celler Landadels und Chef der Reifenfirma Conti AG, einem knallharten Gegenüber der IG Chemie. „Kürzer als in diesem Schreibfehler“, schlußfolgert Trittin, „hätte Schröders korporatischer Begriff von Wirtschaftspolitik nicht auf den Punkt gebracht werden können.“
Schröder, der zu spät kam und die Rede verpaßt hat, nahm's hinterher gelassen. „Ich habe gehört, daß Jürgen Trittin nur meine schlechtesten Seiten ausgebreitet hat“, sagte er gut gelaunt. „Wenn ich das bei ihm machen würde, würde er als Parteisprecher nicht wiedergewählt.“ Markus Franz
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