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■ Interview: Hans KoschnickRückkehr ohne Zwang

Heute entscheidet die Innenministerkonferenz unter Vorsitz des Hamburger Senators Hartmuth Wrocklage (SPD) über die Abschiebung bosnischer Flüchtlinge ab 1. Oktober. Die taz hamburg sprach mit Hans Koschnick, dem ehemaligen EU-Administrator von Mostar. Er hielt am Dienstag abend im Rahmen des Bürgerschaftsforums „Das neue Europa“ einen Vortrag im Rathaus.

taz: Hamburg will schon in zwei Wochen Flüchtlinge zurückschicken. Ist dieser Termin zu verantworten?

Hans Koschnick: Die Flüchtlinge müssen in Sicherheit nach Hause gehen können. Wer in seine Heimat zurück kann, für den ist der Termin kein Problem. Für alle anderen geht das nicht. Denn trotz der Friedensverträge von Dayton können die Menschen nicht unbeschadet heimkehren, wenn sie einer anderen Ethnie angehören als der, die jetzt dort das Sagen hat. Die Leute vor Ort lassen das nicht zu. Der Bürgerkrieg wird in den Köpfen beendet, nicht auf dem Papier.

Sollten die Opfer der Vertreibungen nicht selbst entscheiden, wann sie zurückkehren?

Man muß auf die Freiwilligkeit der Rückkehr setzen, Anreize schaffen, aber auch für die dort gebliebenen Menschen etwas tun, damit keine sozialen Spannungen entstehen. Es gibt ja bereits Modelle. Die Schweizer geben den Flüchtlingen zum Beispiel Gutscheine für Baumaterial mit auf den Weg.

Könnte eine massenhafte und erzwungene Rückkehr nicht zu sozialem Sprengstoff in Bosnien führen, weil man mit dem Flüchtlingsstrom gar nicht fertig wird?

Man wird physisch nicht mit ihnen fertig. Die Menschen werden aber gebraucht. Die Flüchtlinge im eigenen Land sind nationalistischer als die aus dem Ausland. Nur muß man die Freiwilligkeit unterstützen. Wir waren bei der Aufnahme großzügig und dürfen bei der Rückkehr jetzt nicht verrückt spielen.

Also keine Abschiebungen?

Die Flüchtlinge werden durch die Innenministerbeschlüsse verunsichert. Es ist eine Scheinargumentation. Denn ich sehe keine Abschiebung: Da kann man klagen, geht vor das Verwaltungsgericht, das dauert, und in zwei Jahren sprechen wir uns wieder. Fragen: Silke Mertins

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