: Christus ist kein toter Hering
■ Mit ihrer neugegründeten Arbeitsgruppe „Medienbeobachtung“ will die Evangelische Kirche Deutschland blasphemischen Übertritten entgegentreten
Evangelium heißt bekanntlich „Gute Nachricht“, und deswegen bemüht sich die Evangelische Kirche auch allwöchentlich um ebensolche. Die jüngste Frohbotschaft kommt aus dem zentralen Kirchenamt der Evangelischen Kirche Deutschlands, EKD. Dort wurde Anfang vergangener Woche eine Arbeitsgruppe zur Medienbeobachtung gegründet, der der „Leiter der Hauptabteilung Theologie“, der Rechtsabteilungsleiter, der Publizistikreferent der EKD sowie deren Pressesprecher angehören. Laut EKD-Sprecher Thomas Krüger habe sie sich konstituiert, „weil man mit tiefen Glaubensdingen, Symbolen wie dem Kreuz, dem Abendmahl oder der Taufe, keinen Spott treiben darf“. Auf derartige „Grenzüberschreitungen“ will die schnelle Eingreifgruppe künftig „flexibel und prompt reagieren“. Die EKD-Synode hatte schon vor einem Jahr ihre Sorge über die zunehmende Verunglimpfung von Glaubensinhalten geäußert. Anlaß für „Irritationen und Verletzungen“ gerade bei den treuesten Kirchgängern war immer wieder die RTL-Sendung „Samstag Nacht“, die sich offenbar gerade die Frömmsten zumuten. Da sei etwa ein ans Kreuz genagelter Fisch zu sehen gewesen, gibt Krüger Auskunft, dem das Thema schon ein bißchen peinlich ist. Bekanntlich ist das altgriechische Wort für Fisch die Abkürzung von „Jesus Christus Gottes Sohn Heiland“. Die EKD hat allerdings herausgefunden, daß „zwar der Fisch als solcher Symbol Christi ist, aber eben nicht ein toter Hering.“
Auf Anhieb kann Krüger sogar noch drei weitere Beispiele für die angebliche neue blasphemische Tendenz nennen: Die Klorolle am Kreuz, die „recht passend zum Kruzifix-Urteil“ in der Titanic abgebildet wurde; die Jeansreklame, „die Jesus Christus in einer Abendmahlszene inmitten barbusiger Frauen zeigt“; und schließlich die Zigarettenwerbung, bei der „ein Rocker mit dem Kreuz in der Hand ,Test it‘ ruft.“ Aber letzteres ist für den EKD-Sprecher schon ein Zweifelsfall, schließlich hat ein Pastor im Schleswig-holsteinischen ein Plakat zur Eigenwerbung für die Kirche benutzt.
Künftig wird sich die EKD-AG bei solchen Blasphemien in Medien oder Werbung „umgehend an den deutschen Presse- oder Werberat wenden oder als letztes Mittel auch Strafanzeige erstatten.“ Vor allem aber soll sie das „vertrauensvolle Gespräch mit den Medienverantwortlichen, den Chefredakteuren suchen.“
Wenn hier nun beispielsweise der Satz folgte: „Nicht Jesus, sondern ein Esel wurde ans Kreuz geschlagen“, wäre es durchaus nicht unwahrscheinlich, daß auch der taz-Redaktion solch ein vertrauensvolles Gespräch ins Haus stünde. Besonders originell ist diese Blasphemie zugegebenermaßen nicht, aber dafür zeitlos wie der aussichtslose Kampf der evangelischen Kirche: Schon Zeichnungen in den römischen Katakomben verballhornen nämlich unseren Heiland als ein ans Kreuz geschlagenes Grautier. Jürgen Voges
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