: Die ältesten Gewerbe der Welt
Prostitution und Weben gehören untrennbar zur Geschichte der laotischen Frauen. Nun soll das eine Gewerbe dem anderen den Garaus machen ■ Aus Laos Petra Welzel
Die Prostitution wird in einem solchen Ausmaß blühen, daß Thailand im 21. Jahrhundert das Hurenhaus Asiens sein wird.“ Mayoury Ngaosyvathan weiß, wovon sie spricht. Sie, eine Laotin, hat das erste und bisher einzige Buch über Laos' Frauen geschrieben. Und deren Leben wird bis heute von thailändischen Männern und der Prostitution bestimmt.
Versunken in einem breiten Korbsessel und umgeben von handgewebten bunten Stoffen sitzt sie im „Just for Fun“, einem Café in Laos' Hauptstadt Vientiane. Von 1975 bis 1986 arbeitete sie als stellvertretende Direktorin zunächst im Justiz-, später im Außenministerium. Seither widmet sie sich nur noch der Geschichte ihres Landes, und zwar der der Frauen.
„Vor 1827 bemerkten Reisende“, erzählt Ngaosyvathan, „daß der siegreiche siamesische General Phanya Bodinthondesa nach seinem Einfall in Laos damit prahlte, daß er die Prinzessinnen und die schönsten jungen Mädchen von Laos in die Harems des siamesischen Königs in Bangkok gesandt habe.“ Doch Bordelle sind letztendlich schon seit 1680 eine offizielle Einrichtung in Thailand; damals bereits beanspruchte der siamesische König das Monopol der Zwangsprostitution öffentlich für sich, fand Ngaosyvathan heraus.
Auch heute noch bestreiten Laotinnen ihr Leben mit dem Verkauf ihres Körpers. Vorzugsweise im Tausch gegen Devisen mit reichen thailändischen Kaufleuten, die das Nachbarland wirtschaftlich erobern wollen. Den kommunistischen Machthabern in Vientiane ist dieses Gewerbe allerdings seit langem ein Dorn im Auge. Mit einer schnellwachsenden Textilindustrie hoffen sie jetzt, der Prostitution endgültig Einhalt gebieten zu können.
Unter dem Motto „töte die Krankheit und schütze die Menschen“ verbannte die sozialistische Regierung vor 21 Jahren die meisten Prostituierten in ein sogenanntes „Rehabilitationszentrum“, das allgemein als „Done Nang“, die Mädcheninsel, bekannt und ein ziemlich unbeliebter Frauenknast ist. Weniger als 100 Kilometer nördlich von Vientiane gelegen, erhalten die Frauen und Mädchen in dem Gefangenenlager eine Ausbildung im Weben, Nähen und Flechten von Körben. Und tatsächlich finden viele unter ihnen trotz des Zwangs anschließend den Weg zurück in ihre Familien und an den Webstuhl.
Chantone Chantachit ist seit 1992 im Rahmen der seit 1955 bestehenden Lao Women's Union Leiterin eines freien Weberinnenprojektes in Laos. Auch die Frauenunion treibt die traditionell überlieferte Webkunst mit der Absicht voran, eine einigende nationale Wirtschaftskraft daraus wachsen zu lassen. Aus dem ganzen Land beziehen sie die Stoffe, die sie in ihrem Laden in Vientiane verkaufen. Man wolle mit den Frauen Frieden schaffen, betont Chantachit, denn noch heute lägen die 68 ethnischen Minderheiten Laos' oft im kämpferischen Streit miteinander. Allerdings stellen die Frauen aller Stämme die landesweit 80 Prozent weiblichen Beschäftigten im Kunsthandwerksektor. „Über die ethnischen Grenzen hinweg haben diese Frauen alle dasselbe Problem: Sie sind arm und leben auf dem Land.“ Ihre Gemeinsamkeiten sind größer als die Unterschiede, ist Chantachits Erfahrung. Deshalb macht ihr Projekt Sinn.
Vor allem solange die Familie als wichtigste gesellschaftliche Einheit in Laos, einem der zehn ärmsten Länder der Welt, existiert.
Nach den letzten demographischen Untersuchungen von 1988 bekamen die 46 Prozent Laotinnen zudem im Durchschnitt sechs bis sieben Kinder. An eine andere Arbeit als an Heimarbeit ist da gar nicht zu denken. Diesen Umständen kommt das Weben entgegen.
Reist man über Land von Vientiane gen Norden nach Luang Prabang, sieht man hauptsächlich einfache Pfahlhausdörfer auf kargem, sandigem Boden. Zwischen den Pfählen stehen Spinnräder und Webstühle, an denen Frauen arbeiten. Würden nicht von Region zu Region unterschiedliche Stoffe gewebt und andere Textilien genäht werden, würde man eine ethnische Gruppe von der anderen kaum zu trennen wissen. Daß die Frauen heute durch ihre Arbeit zur Verständigung beitragen, verwundert daher nicht.
Als Pilotprojekt rief die Regierung bereits 1984 die inzwischen vollständig kommerzialisierte Lao Cotton Company ins Leben. Auf dem Weg in die Fabrik an den Stadtrand Vientianes erinnern noch heute überlebensgroße Propagandawandmalereien an die vergangene staatliche Obhut. „Arbeite eifrig beim Produzieren der Ware, je mehr Tage desto mehr Produkte“ steht da, und aufmunternd halten einem zwei Arbeiterinnen ihre Stoffe entgegen. Heute floriert und expandiert das Unternehmen erst wirklich, und der neue, massige italienische Geschäftsführer Giorgio Zenucchi läßt mit einem bedeutungsschweren Augenzwinkern keinen Zweifel daran, daß der momentane Export von 20 Prozent noch um ein Vielfaches gesteigert werden wird. Neben ihm warten Berge von Blusen bereits, in Cellophan einzeln verpackt, auf ihren Transport nach Europa.
Als das Projekt 1984 vom United Nations Development Programme zusammen mit der laotischen Regierung zum Zwecke der Partizipation und Qualifizierung der laotischen Frauen in der Wirtschaft der Volksrepublik gestartet wurde, wäre die Mitarbeit von Männern undenkbar gewesen, erzählt der Direktor Boun heuang Kousol. Heute liegen fast alle Führungspositionen der Company in männlicher Hand. Eine Ausnahme macht Ysabelle Souvanlasy-Peutot, die hauptverantwortliche Designerin. Einmal im Jahr organisiert sie im Langh Xang Hotel eine Modenschau. Für die letzte entwarf sie die Kollektion und suchte dafürselbst die zwölf Mannequins aus.
„Die Mädchen und Jungen waren sehr schüchtern, und ich mußte ihnen klarmachen, daß sie das Gegenteil zu verkörpern hätten“, erzählt Ysabelle stolz. Etwas staksig liefen die dann aber doch noch über den Steg.
Für den Mangel an weiteren weiblichen Führungskräften macht Direktor Kousol die Frauen selbst verantwortlich: „Die laotischen Frauen sind eben noch nicht soweit. Am liebsten bleiben sie zu Hause, kümmern sich um Haus und Familie. Sich intellektuell und praktisch auszubilden, liegt ihnen fern.“
Das sehen Frauen wie Chantachit und Ngaosyvathan ganz anders. Mittlerweile hätten etliche laotische Frauen private Weberinnen-Initiativen gegründet. Als kleines Mädchen mit acht Jahren habe sie bereits am Webstuhl gesessen, erzählt Chantachit. Später, als sie älter war, fiel ihr auf, daß alle alten Stoffe an thailändische Kaufleute oder reiche Touristen verkauft wurden. Da kam sie auf die Idee, einfach die alten Motive und Muster zu kopieren, die „neuen alten Stoffe“ zu verkaufen. Ihre Idee hatte Erfolg. 1992 erhielt ihr Projekt den zweiten Preis des Unesco- „South East Asia Textile“-Wettbewerbs. Für Chantone Chantachit steht längst fest: „Unsere Zukunft liegt in den von Frauenhänden unendlich gesponnenen Fäden, die sie bündeln, färben und zu immer mehr Stoffen verarbeiten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen