: Schildkröten und Brillen
■ BGH tagt über Ökologie in Anzeigen
Böblingen (taz) – „Binder Optik unterstützt die Aktionsgemeinschaft Artenschutz.“ Hiermit will der schwäbische Brillenfilialist auch weiterhin werben. Ein Abmahnverein ließ diese „gefühlsbetonte Werbung“ jedoch untersagen. In zwei Instanzen verlor Binder vor Gericht. Heute entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH), ob er sich mit dem Thema beschäftigt und ein Grundsatzurteil über Ökowerbung fällen wird.
Gerhard Baur, Chef von Binder Optik, hat einen Hang zu grünen Themen. Vor 15 Jahren gründete er die Organisation „Rettet die Meeresschildkröten“, die heutige „Aktionsgemeinschaft Artenschutz“ (AGA). Im AGA-Vorstand ist Baur noch heute für Finanzen zuständig. Rund 30.000 Mark steckt die Binder AG jährlich dem Verein zu. Das sollte sich auch für das Unternehmen lohnen. Auf Binder-Anzeigen fand sich regelmäßig das markstückgroße AGA-Schildkrötenlogo. Damit liegt Baur durchaus im Trend: Rund 380 Millionen Mark und damit jede siebte Sponsoring-Mark wurden 1995 in Deutschland von der Wirtschaft für Öko- und Sozialprojekte aufgebracht.
Doch die Rechtslage ist unklar. Im Namen von 170 OptikerInnen klagte der Düsseldorfer „Verein für Lauterkeit in Handel und Industrie“ gegen Binder auf Unterlassung der „unlauteren Werbung“.
Binder ist mit seiner Kette von 43 Brillengeschäften in der Optikerbranche unbeliebt. Wie Marktführer Fielmann setzt auch Binder auf aggressives Marketing und ist die Nummer fünf in Deutschland. Mit dem Hinweis auf sein AGA- Engagement verlasse Binder, so die Klage aus dem KollegInnenkreis, den „Leistungswettbewerb“ und betreibe eine „unsachgemäße Ablenkung des Publikums“. Derartiges ist laut „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ verboten. Das Landgericht Stuttgart drohte Baur bei Wiederholung der AGA-Werbung 500.000 Mark Ordnungsgeld, was das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigte.
Heute will Baur die Zulässigkeit der Imagewerbung durch den BGH klären lassen. Das zentrale Argument seiner Revision: „Es muß dem Verbraucher überlassen bleiben, ob eine solche Kombination aus Warenangebot und Unternehmensimage Anklang findet.“ Zudem ist der Artenschutz im Unternehmen verankert. In den 80er Jahren verzichtete Baur auf Schildpatt für Brillenfassungen und forderte öffentlich zum Boykott solcher Brillen auf. Auch dafür landete Baur vor dem Kadi, wurde aber freigesprochen. Inzwischen ist in Deutschland der Handel mit Schildpatt strafbar. Gerhard Baur erhielt für sein Engagement das Bundesverdienstkreuz. Christian Rath
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