: Klima wird den Vögeln zu heiß
■ Die Erderwärmung bringt den Rhythmus der Zugvögel durcheinander. Da sie zu früh losfliegen, können sie lebenswichtige Nahrung nicht mehr aufnehmen
Berlin (taz) – Weltweit sind die bekanntesten Vogelpopulationen von der globalen Erwärmung bedroht. Zu diesem Schluß kommt eine gestern in Washington vom World Wide Fund for Nature (WWF) veröffentlichten Studie. Wie der Direktor der globalen Klimakampagne des WWF, Adam Markham, mitteilte, trifft die langsame Erwärmung des Weltklimas die jährlichen Vogelzüge von Millionen von Vögeln durch die ganze Welt. „Der Effekt der globalen Erwärmung auf die Zugvögel ist vergleichbar mit der Situation einer Familie, die auf ihrem Autoausflug durch die Natur feststellt, daß alle Tankstellen, Hotels und Restaurants geschlossen sind“, sagte Markham. Um der Erderwärmung Einhalt zu gebieten, fordert die Umweltschutzorganisation drastische Einsparungen bei den dafür verantwortlichen Kohlendioxidemissionen. Insbesondere die USA werden zu größeren Anstrengungen aufgefordert.
Nach der WWF-Studie bringen vor allem drei Konsequenzen der Klimaerwärmung die Balance der betroffenen Ökosysteme aus dem Gleichgewicht. Zum einen würden tiefliegende Marschgebiete und Wattlandschaften langsam überschwemmt. Sie gehen den Vögeln als Brut- und Ernährungsraum verloren. Laut der Studie sind dabei einige der wichtigsten Vogelgebiete der Welt bedroht, wie die Chesapeake Bucht in den USA, das Donaudelta in Rumänien und die Port-Philip-Bucht vor der Südküste von Australien. Eine weitere Gefahr sei die allmähliche Veränderung der Jahreszeiten. So würden bestimmte Vogelarten auf ihrem Weg in den Süden zum Teil bereits zwei Wochen eher als bisher ihre Lebensräume verlassen, wie dies bereits in der Delaware- Bucht in den USA passiert. Dabei verpassen die Vögel Millionen der für ihr Fettdepot lebensnotwendigen Krabbeneier, die erst nach ihrem Abflug im Watt auftauchen. Als dritte Konsequenz der globalen Erwärmung seien all jene Populationen bedroht, die ihren Lebensraum in Feuchtgebieten haben. Durch das wärmere Wetter drohen diese Landschaften auszutrocknen. So ist die Rote Liste der bedrohten Vogelarten des WWFlang: Ringelgänse, Stockenten, Kiebitze, Schnepfen, Pirole, Grasmücken, Pelikane und Flamingos.
Nach Einschätzung von Klaus Witt, Vorsitzender des Dachverbandes der deutschen Feldornithologen, sieht die Entwicklung im dänisch-deutsch-niederländischen Wattenmeer nicht besser aus. Er hat beobachtet, daß es bei den Ringelgänsen bereits Anzeichen für eine Veränderung der Nahrungsgewohnheiten gebe: Eigentlich sind die Gänse Fleischfresser, müssen jedoch auf pflanzliche Nahrung ausweichen. Betroffen seien alle im Watt aufwachsenden Limikole, also rund 30 Arten von dort ansässigen Vögeln. „Es gibt für die Tiere keine Ausweichquartiere, es sei denn, das in Zukunft trockene Küstengebiete wieder zu Watt werden“, sagt Witt. Achim Rust
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