: Deutschland beansprucht Sitz im Sicherheitsrat
■ Heute spricht Außenminister Kinkel vor der UNO-Generalversammlung. Hinter den Kulissen ist das Gerangel um die Nachfolge von Butros Ghali in vollem Gange
Genf (taz) – „Spätestens zum 50. Jubiläum der UNO-Gründung wird Deutschland ständiges Mitglied des Sicherheitsrates sein.“ Ein Jahr nach den Jubiläumsfeiern will Klaus Kinkel längst nicht mehr wahrhaben, was er 1992 in völliger Fehleinschätzung der Rolle des neu vereinten Deutschlands und der Interessenlage der 184 UNO- Staaten verkündete.
Bei seiner heutigen Rede vor der Generalversammlung in New York wird der Bundesaußenminister sehr viel vorsichtiger formulieren und einen ständigen Ratssitz für Deutschland und Japan nicht mehr als einziges Ziel formulieren, sondern für die gleichzeitige Aufnahme eines ständigen Mitglieds aus Asien, Afrika und Lateinamerika plädieren. Doch mit dieser Haltung hat Bonn lediglich den UNO-Diskussionsstand von Anfang der 90er Jahre erreicht.
Inzwischen ist längst klar, daß sich die 56 Staaten Afrikas oder ein Kontinent wie Asien mit Staaten wie Indien (930 Mio. Einwohner) und Indonesien (180 Mio.) nicht mit je einem Sitz im Sicherheitsrat zufrieden geben werden. Auch in Lateinamerika zeigt bislang keiner der drei Bewerber, Argentinien, Brasilien und Mexiko, Bereitschaft, zurückzustecken. Kinkels Äußerung vom Montag, daß die Reform des Sicherheitsrates wegen der „Uneinigkeit“ der Staaten des Südens, nicht aber wegen der Interessen Deutschlands und Japans, nicht vorangekommen sei, zeigt nur, daß er die Ansprüche der beiden nördlichen Industriestaaten für die berechtigteren hält.
Anders als Norwegens Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland am Montag abend wird der deutsche Außenminister vor der Generalversammlung keine offene Kritik an den USA üben. „Einschüchterung – und dazu gehört auch die Zurückhaltung von Pflichtbeiträgen – können wir nicht mehr akzeptieren“, hatte Brundtland unter deutlicher Anspielung auf Washingtons Schulden bei der UNO in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar erklärt. Die norwegische Ministerpräsidentin gilt als eine der möglichen NachfolgerInnen für UNO-Generalsekretär Butros Ghali, dessen Wiederwahl die USA notfalls mit ihrem Veto verhindern wollen. Auch zu diesem Thema, das hinter den Kulissen heftig diskutiert wird, wird sich Kinkel heute bedeckt halten. Bonn wolle eine öffentliche Konfrontation mit Washington vermeiden, erklärten deutsche Diplomaten. Auch Meldungen, wonach die Bundesregierung der US- Regierung einen Kompromißvorschlag für eine auf zwei Jahre verkürzte zweite Amtszeit des Generalsekretärs unterbreitet habe, werden von den Diplomaten glaubwürdig dementiert. Andreas Zumach
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