: Kastration – die beste Prävention?
■ Das Geständnis des Mörders von Natalie Astner löst eine Debatte über den Umgang mit Sexualstraftätern aus
Berlin (AP/dpa/taz) – Der Mörder der siebenjährigen Natalie Astner hat gestern entgegen seiner ersten Aussage gestanden, das Mädchen sexuell mißbraucht zu haben. Der brutale Mord hat zum Ruf nach schärferen Strafen geführt. Familienministerin Claudia Nolte plädierte für eine freiwillige chemische Kastration von Sexualstraftätern und löste damit eine Kontroverse über die politischen Konsequenzen aus. Nolte forderte, die vorzeitige Haftentlassung von Sexualstraftätern restriktiver zu handhaben. Bei krankhaft gestörten Tätern könne sie sich „durchaus vorstellen, daß man über eine chemische Triebverminderung nachdenken muß“, sagte sie dem Kölner Express.
Der bayerische Justizminister Hermann Leeb (CSU) lehnte Noltes Vorschlag ab. Er sagte in einer ZDF-Sendung: „Ich meine, das Verfassungsrecht steht dagegen. Körperstrafen sind nicht zulässig.“ Auch der hessische Justizminister Rupert von Plottnitz von den Grünen sprach sich dagegen aus, Medikamente einzusetzen, um den Sexualtrieb zu unterdrücken. Er sei dafür, den Einsatz einer solchen „sehr rabiaten Methode“, die möglicherweise zu einer gravierenden Persönlichkeitsstörung führe, erst zu diskutieren, wenn alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft seien. Es sei nach wie vor am sichersten, beim Strafvollzug auf Rehabilitation zu setzen, meinte Plottnitz.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) betonte in München, daß Straftäter, die ihre Strafe abgesessen hätten, einer „Führungsaufsicht“ mit Auflagen unterstellt werden sollten. Für besonders schwere Fälle müsse die „Sicherungsverwahrung“ erleichtert werden. Stoiber schloß auch die chemische Kastration nicht aus, erst müßten jedoch rechtliche und medizinische Fragen geklärt werden. Bayern wolle dazu eine Bundesratsinitiative einreichen. Auch die bayerische SPD- Chefin Renate Schmidt sprach sich für die chemische Kastration aus, falls sich ein Täter dazu bereit erkläre. Dies sei jedoch „kein Allheilmittel“. Der Geschäftsführer des Deutschen Kinderschutzbundes, Walter Wilken, forderte, eine unabhängige Bund-Länder-Kommission zu schaffen. Bei vorzeitiger Haftentlassung solle sie die Gutachten prüfen.
Staatsanwalt Reinhard Nemetz brachte gestern in Landberg am Lech schockierende Details an die Öffentlichkeit. Mit dem Mord habe der Täter den sexuellen Mißbrauch verdecken wollen, so Nemetz. Der 27jährige Kfz-Elektriker brach seinem Geständnis zufolge am Freitag morgen mit einem gestohlenen Wagen von zu Hause auf, mit dem Vorsatz, ein Kind zu entführen. Als er Natalie Astner entdeckte, zerrte er sie in den Kofferraum. Später fesselte er sie und fuhr auf einen Feldweg. Das Mädchen habe sich nicht gewehrt, aber versucht, mit ihm zu sprechen. Sie habe ihm sogar 1.000 Mark angeboten und versprochen, ihren Eltern nichts zu sagen, wenn er sie freiließe.
„Der Täter entkleidete das Mädchen teilweise und verging sich an ihr, ohne sie zu vergewaltigen“, erklärte Nemetz. Danach habe er allein wegfahren wollen, so das Vernehmungsprotokoll. Doch Natalie Astner schaute ihn aufmerksam an, „registrierte alles“. Er befürchtete, entdeckt zu werden und geriet in Panik, habe die Siebenjährige gewürgt und mit dem Kopf gegen einen Baum geschlagen. Sie sei rasch bewußtlos geworden. Er entkleidete das Opfer vollständig, fuhr zum Lech und legte die Siebenjährige in den Fluß. Der Täter war bereits 1993 wegen sexuellen Mißbrauchs von drei Kindern verurteilt worden. 1995 wurde er vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Bericht Seite 4, Kommentar Seite 10
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