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„Jean ist unser Freund“

■ Blumenthaler SchülerInnen protestierten beim Innensenator gegen Abschiebung des Zairers

Zwanzig SchülerInnen des Blumenthaler Schulzentrums In den Sandwehen auf dem Weg zum Innensenator. In ihren Schultaschen, zwischen Deutsch- und Mathebüchern, steckten gestern Unterschriftenlisten: Fast 400 Unterschriften von SchülerInnen und LehrerInnen, die Innensenator Borttscheller davon überzeugen sollen, den Zairer Jean Nsotuna Mampouya nicht abzuschieben.

Der Zairer, der in der Heilig-Geist-Gemeinde Kirchenasyl bekommen hatte, war verhaftet und in Abschiebehaft gesteckt worden (wir berichteten). Seine letzte Chance ist nun ein Eilantrag, über den das Verwaltungsgericht nächste Woche entscheiden wird. Solange wollte die Klasse 9 i aus Blu-menthal nicht warten. „Wir kennen Jean seit einem halben Jahr. Er ist unser Freund. Wir können doch nicht zusehen, daß er abgeschoben und gequält wird“, sagt die junge Türkin Kadriye. Der Flüchtling war der Schule als Sozialhilfeempfänger für gemeinnützige Arbeit zugewiesen worden.

Sich mit einer Forderung direkt an einen Politiker zu wenden – das war für die meisten SchülerInnen neu. Bevor sie sich in das Behördengebäude trauten, überlegten sie aufgeregt, was man denn alles sagen darf. Dann standen sie gespannt in der Eingangshalle: „Hoffentlich kommt einer von den Oberen“. Und so war es. Die Klasse wurde zwar nicht von Borttscheller empfangen, doch der hatte Staatsrat Hans-Georg von Bock und Po-lach als Vertreter geschickt. „Wir möchten, daß Jean bleiben darf, weil er zu Hause verfolgt wird“, sagt Kadriye. Zwanzig Hände mit raschelnden Listen reckten sich dem Staatsrat entgegen. Doch der unterrichtete die Jugendlichen erst einmal in Gewaltenteilung. Das Gericht habe gegen den Asylantrag des Zairers entschieden, und die Innenbehörde sei nicht zuständig.

Als von Bock und Polach im Juristendeutsch das Asylverfahren erklärte, wurden die Gesichter immer länger. Ob Borttscheller nicht Gnade walten lassen könne, fragte ihr Lehrer Jacques Bouteville. Von Bock: „Zuständig ist das Gericht, und im Verwaltungsrecht ist Gnade nicht vorgesehen.“ Das konnte die 15jährige Nuray nicht verstehen: „Wir können doch nicht zusehen, daß jemand gefoltert wird. Und wir erwarten von Ihnen und Ihrem Senator Mitgefühl und Verständnis!“ sagte sie eindringlich. Einen Moment lang war es mucksmäuschenstill. Schließlich fand von Bock und Polach die Sprache wieder: „Ich nehme Ihren Appell an“.

Nachdem er die Klasse höflich verabschiedet hatte, herrschte Enttäuschung. „Ist es denn so schlimm, ob hier ein Ausländer mehr lebt? Was können wir denn jetzt noch machen?“ fragte Karina. Besorgte, ratlose Gesichter. Fazit von Klassenlehrer Bouteville: „Was ihr heute gelernt habt, ist, daß das, was Politik beschließt, nicht immer menschlich ist.“ hof

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