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Unter Spielern

Bertelsmann will die Pay-TV-Blamage vergessen machen. Erstmals sank auch das Gesamtergebnis  ■ Von Lutz Meier

Die Gäste des Hauses Bertelsmann fanden auf ihrem Hotelzimmer ein Exemplar der konzerneigenen Klatschpostille Gala. Deren Titelzeile traf die Befindlichkeit der Gütersloher Konzernmanager nach einem Sommer der Niederlagen beim Einstieg ins Pay-TV besser als alle Erklärungen zur Jahresbilanz: „Sie leiden“, stand da, und: „sie lächeln“. Auch wenn es gar nicht um ostwestfälische Medienbosse ging, sondern um monegassische Schloßherren.

Sie leiden: Als der Bertelsmann- Vorstand am Mittwoch seine Bilanz vorstellte, war Vorstandschef Mark Wössner bemüht, die Verhältnisse zurechtzurücken. Das negative Presseecho betreffe doch nur „zwei Prozent unseres Geschäfts“. Überhaupt fühlt sich der Konzernchef von der Journaille „ins Sommerloch gezogen“. Doch am Rande der Bilanzkonferenz war deutlich zu spüren, daß der Imagesturz die Gütersloher mehr getroffen hat, als es Prozente ausdrücken können. Vom Digital-TV redete Wössner nur noch wie einer, der von alten Geschichten nichts mehr wissen will: Für ihn nur noch eine „komplizierte Gemengelage“. Dabei hatte die Branche weniger erregt, daß sich der Konzern von seinen Plänen, Leo Kirch im digitalen Zukunftsgeschäft paroli zu bieten, verabschiedet hat, sondern, daß die Manager ihr panisches Agieren im Nachhinein als kluge Strategie auszugeben suchten. Man werde kein Interview von ihm finden, so Wössner, wo er den Markt nicht vorsichtig eingeschätzt habe. Dabei las sich sein Statement noch in der Juni- Ausgabe von Capital völlig anders: „Aus Erfahrung wissen wir: Nur wer von der ersten Stunde an dabei ist, steht an der Spitze der Entwicklung.“ Auch die sonstige Bilanz hat nicht mehr den Glanz vergangener Jahre: „Ein Ergebnis“, so Wössner, „mit dem wir eigentlich [...] relativ und gut zufrieden waren.“ Man kann getrost annehmen, daß das so nicht stimmt. Denn erstmals seit dem kometenhaften Aufstieg des Gütersloher Verlagshauses zum internationalen Medienkonzern in den achtziger Jahren lag das Betriebsergebnis unter dem Vorjahresniveau. Bei 1,53 Milliarden Mark im Geschäftsjahr 1995/96 (minus acht Prozent gegenüber 1,65 Milliarden) hat Wössners Lieblingskurve eine Delle bekommen. Und daß Vorstand Siegfried Luther beim Jahresüberschuß noch einmal einen Zuwachs um elf Prozent vermelden konnte (905 Millionen nach Steuern), liegt nur an ein paar glücklichen Rechnungen, die er unter „außerordentliche Effekte“ subsumierte: So flossen bei der letztjährigen Umstrukturierung der Luxemburger CLT aus Bertelsmanns bisheriger Minibeteiligung 130 (steuerfreie) Millionen in die Gütersloher Kassen, zudem löst man für 190 Millionen Rückstellungen auf. Daraus schrieb man 100 Millionen in den Überschuß, der ohne dies auch gesunken wäre.

Auch das Umsatzplus lag nicht mehr bei gewohnten 10 Prozent, sondern nur bei der Hälfte. Zum Zuwachs auf 21,5 Milliarden trug vor allem das Auslandsgeschäft und der neue Multimediabereich bei – der Inlandsumsatz ging sogar leicht zurück.

Doch sie lächeln auch: Bertelsmann bleibt trotz leisen Stotterns eine grundsolide Geldmaschine. Voller Stolz verbreitete der Vorstand, daß man im Gegensatz zu anderen Weltkonzernen der Branche keine Schulden habe und die Investitionssummen nicht jahrelang durch die Bilanzen schleppe. In der Zukunft soll neben den Auslandsmärkten vor allem das elektronische Geschäft ausgebaut werden. Nach der Jahrtausendwende wolle man die Hälfte des Umsatzes mit Musik, Fernsehen und Multimedia machen (derzeit ein Drittel). Doch gerade ihre Solidität könnte den Bertelsmännern zum Problem werden. Während die US-Konzerne, die die Weltspitzengruppe der Branche neben Bertelsmann dominieren, munter mit zweistelligen Milliardenbeträgen jonglieren, gucken die Gütersloher erst einmal auf ihre Bilanz. Fremdes Geld an der Börse aufzunehmen, ist ihnen durch und durch wesensfremd. Doch in der Branche ist Virtualität, auch was das Kapital betrifft, längst zum Geschäftsprinzip geworden. Gambler wie Ted Turner, Rupert Murdoch oder auch Leo Kirch machen das Geschäft, indem sie als Solitäre am Abgrund balancieren. Das ist fernsehreif – nicht die Vorstandssitzung in Gütersloh.

Doch einstweilen glaubt Wössner zu wissen, wo er Geld hernehmen kann: Sollte einmal der „weiße Elefant“ einer entscheidenden Investitionschance vorbeispazieren, so der Bertelsmann- Chef, dann würde man den MitarbeiterInnen ein bißchen die Zinsen auf ihre Teilhaberscheine kürzen. Zusammen mit Mitteln aus dem Portefeuille von Konzerngründer Reinhard Mohn kann die „Kriegskasse“ so auf 7 bis 8 Milliarden Mark geschätzt werden.

Eben scheint ein Elefant vorbeizukommen: Durch seinen Einstieg beim französischen Pay-TV Canal + (1,3 Prozent) macht der Bertelsmann verbundene Bankier Albert Frére (Lenker der Luxemburger CLT, die Bertelsmann nun übernehmen wird) gerade vor, wie man eine feindliche Übernahme einleiten könnte – mit der die Gütersloher auch beim Pay-TV wieder gut daständen. Doch Wössner zieht es vor zu warten – auf eine größere Chance.

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