: Humanitäre Nachhilfe
■ Menschenrechtsgruppen besetzten SPD-Fraktionsbüro
Mitglieder des Antirassismus-Büros (ARAB) und des Menschenrechtsvereins Bremen haben gestern das Fraktionsbüro der SPD am Altenwall und das Rathaus besetzt, um auf die drohende Abschiebung des Nigerianers Jean Nsotuna aufmerksam zu machen. Mit den Aktionen wollten die Besetzer der SPD ihr „teilnahmsloses Schweigen erschweren“, hieß es in einer Erklärung. Tsuno sitzt, nachdem er aus seinem Kirchenasyl festgenommen worden war, in Abschiebehaft.
Das ARAB hatte sich zu der Aktion entschlossen, weil die Bremer SPD in Fragen des Kirchenasyls vor Innensenator Bortscheller kusche. Nachdem der bayrische Innenminster Beckstein die Verhaftung eines Asylbewerbers aus Togo im Kirchenasyl veranlaßt hatte, haben Sozialdemokraten dort dessen Rücktritt gefordert.
„Sind Sie die PDS?“ fragte die stellvertretende SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Barbara Klöpper gestern die DemonstrantInnen. Die etwa 15 ungebetenen Besucher forderten vehement, den in Bonn weilenden Bürgermeister Henning Scherf zum Gespräch zu holen. Nach dem kommunikativen Fehlstart machten sie es sich zu Füßen eines Gemäldes des Mitverfasssers des Grundgesetztes, Carlo Schmid, gemütlich, bis die Sozialdemokratinnen dialogbereit waren.
Am Nachmittag verhandelten die Menschenrechtler mit Klöpper, der ausländerpolitischen Sprecherin der SPD, Barbara Wulff, dem Ausländerausschußmitglied Ilse Mertens und der Geschäftsführerin Karin Röpke. Bis dahin hatten sich die Menschenrechtler die Zeit im Rathaus vertrieben, in das die auf über 20 Menschen angewachsene Gruppe dank eines unachtsamen Handwerkers gelangt war. Auch dort wiesen sie darauf hin, daß das Leben von Nsotna im Falle einer Abschiebung in Gefahr sei.
Laut Barbara Klöpper war die humanitäre Nachhilfestunde nicht notwendig gewesen. Sie verwies auf Barbara Wulffs Engagement im Ausländerausschuß. Dort ist bereits eine Petition zugunsten von Nsotuna eingereicht worden.
Jan Lam vom Menschenrechtsverein Bremen wertete die Aktion als vollen Erfolg. „Frau Wulff hat die Dringlichkeit der Situation unterschätzt. Wenn sich die SPD nun politisch ins Zeug wirft, gewinnen wir nicht nur Zeit, um Jeans Leben zu retten. Der Umgang mit ihm wird hoffentlich zu einer Koalitionsfrage, die bei einer Abschiebung für reichlich Knatsch sorgen könnte.“
Lars Reppesgaard
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