piwik no script img

„Ein Verbot ist das allerletzte Mittel“

■ Interview mit Ursula Caberta (46), Leiterin der Hamburger „Arbeitsgruppe Scientology“

taz: Frau Caberta, ist Scientology eine extremistische Organisation?

Ursula Caberta: Es ist klar, daß wir es hier mit einer neuen Form des politischen Extremismus zu tun haben. Der Gedanke daran ist allerdings für viele gewöhnungsbedürftig, da Scientology hierzulande sehr lange unter dem Deckmantel einer Religion gearbeitet hat und Analysen erst jetzt ergeben haben, was wirklich dahinter steckt.

Ein Fall für den Verfassungsschutz?

Der Verfassungsschutz gilt immer als die endgültige Lösung für Probleme dieser Art, aber das ist Unsinn. Nur weil ein Verfassungsschützer sich mit dieser Geschichte beschäftigt, ist das Problem noch nicht gelöst. Wir müssen vielmehr die politische Diskussion über die neue Form der politischen Bewegung führen. Die Auseinandersetzung mit Scientology beginnt aber erst jetzt bundesweit. Man muß sich auch über die Verantwortung, die man trägt, im klaren sein, wenn man die Verfassungsschutzhunde von der Leine läßt, und sich die Frage stellen, ob das überhaupt die richtige Lösung ist.

Ist ein Verbot die richtige Lösung?

Da gilt dasselbe. Wir bewegen uns in einem demokratischen, freiheitlichen Rechtsstaat und agieren eben gerade nicht wie totalitäre Organisationen wie Scientology. Die Verbotsdiskussion ist aber auch wichtig. Wir müssen darüber reden, aber das Verbot ist das allerletzte Mittel. Die Möglichkeiten des Staates sind noch nicht ausgeschöpft.

Was kann er noch tun?

Konsequent aufklären. Über die Hintergründe und die Geschichte der Organisation ist ja schon eine Menge gelaufen. Jetzt geht es darum zu gucken, wie man die Menschen vor Scientology präventiv schützen kann. Hamburg hat jetzt vor, den gewerblichen Psychomarkt gesetzlich zu regeln. Das gilt dann auch für andere Anbieter, weil bis heute jeder damit Schindluder treiben kann. Also wird hier eine Verbraucherschutzregelung kommen.

Außerdem müssen wir die Strafverfolgungsbehörden viel intensiver darauf aufmerksam machen, wie sehr das Denken in dieser Organisation die Menschen kriminalisiert. Da ist noch viel zu tun. Das ist auch nicht von Hamburg allein zu machen.

Warum ist Scientology so gefährlich?

Die Gefährlichkeit dieser Gruppierung unterscheidet sich nicht von der anderer Extremisten. Bei denen fragt übrigens merkwürdigerweise keiner nach. Bei Scientology wird – aus welchen Gründen auch immer – x-mal nachgefragt.

Expandiert Scientology noch, speziell in Hamburg?

Nein, absolut nicht. Wir stellen fest, daß, auf Norddeutschland bezogen, die konsequente Aufklärungsarbeit greift. Es kommen immer mehr Leute, die Rat suchen, die sich lösen wollen, die Kontakt gehabt haben, die Hilfe benötigen. Und wir erkennen die Hektik, die sich innerhalb der Organisation ausgebreitet hat aufgrund der Aussteigerberichte. Wir beobachten aber auch den Trend, daß Scientology in Bundesländer vordringt, wo die Erkenntnis darüber, was da passiert, noch nicht so weit fortgeschritten ist.

Welche Bedeutung hat der Hamburger „Org“, also die Zentrale, für den norddeutschen Raum?

Der liegt ziemlich danieder. Das beste Zeichen dafür ist, daß an der Spitze in der Hansestadt einer von der Cheforganisation, der Sea-Org, sitzt. Die ehemalige Präsidentin ist abgesetzt worden. Das passiert in solchen totalitären Systemen immer nur bei Versagen.

Gibt es bald ein neues Org-Gebäude in Hamburg, oder gehen den Scientologen die finanziellen Mittel aus?

Es ist ja nicht so, daß die Scientologen oder die Organisation ein Gebäude baut. Sondern scientologisch geführte Firmen in Hamburg haben dafür gesorgt, daß überhaupt massenhaft Geld da reinfließt mit dem Ziel, das zu bauen. Das wird also von einzelnen Mitgliedern aus verschiedenen Tätigkeitsbereichen finanziert, die aber nach unseren Erkenntnissen derzeit dazu nicht in der Lage sind.

Sekte oder Wirtschaftsunternehmen – was ist Scientology eigentlich?

Also, eine Sekte ist das nicht, weil dieser Begriff etwas Religiöses impliziert. Die Bezeichnung „Kirche“ ist nur eine Tarnkappe. Ansonsten ist Scientology alles das: Wirtschaft, politischer Anspruch, und es geht darum, Geld zu machen und Menschen für sich zu gewinnen. Fragen: Volker Stahl

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen