10.000 Bauarbeiter auf 80 Prozent

■ Still gesenktes Krankengeld / Aktionstag bei Mercedes / Auch SKP-Chef will weniger zahlen

Alle schauen auf Mercedes, keiner auf den Bau. Während sich heute die verschiedenen Belegschaften des Daimler-Benz-Standortes Bremen zu einem Aktionstag gegen den Bruch der Tarifverträge zur Lohnfortzahlung versammeln, gilt für die bremischen Bauarbeiter bereits Tag 1 mit gekürztem Krankengeld. Die Absenkung auf 80 Prozent gilt für mehr als 10.000 Beschäftigte in rund 400 Bremer Baubetrieben. Damit ist der Bau mit Abstand die größte Branche Bremens, in der die Neuregelung angewandt wird - auch wenn die Bau-Arbeitgeber nachträglich noch eine Verschiebung um einen Monat beschließen.

Derweil bleiben die Betroffenen still. „Es hat mich gewundert, daß die Betriebsräte das Thema noch nicht angesprochen haben“, sagte Hans-Hermann Kathmann, Vorsitzender des Baugewerbeverbandes in Bremen. „Das wird akzeptiert“, erklärte Bernd Voigt, Geschäftsführer des Bauindustrieverbandes Bremen-Nordniedersachsen. „Es gibt keinen speziellen Aufschrei. Ich habe den Eindruck, als ob die Leute das immer noch nicht glauben“, vermutet hingegen Wolfgang Jägers, Geschäftsführer der Industriegewerkschaft Bau.

Anders als das Vorgehen der großen Metall-Arbeitgeber ist das ihrer Kollegen vom Bau rechtlich nicht umstritten. Der Branche gehe es schlecht, räumt selbst die Gewerkschaft ein. Sehr groß ist ihre Entlastung nicht: Auf zwei Prozent der Lohnkosten schätzt Kathmann den Vorteil für die Unternehmen. Noch sei nicht abzusehen, wieviele Urlaubstage die Erkrankten zur Kompensation der Lohnausfälle einsetzen werden.

Das würde Johannes Beermann auch gerne für den Bremer Personalhaushalt wissen. Der Staatsrat und Chef der Senatskommission für das Personalwesen hält die Kürzung des Krankengeldes „persönlich für sinnvoll“, klagt aber darüber, daß er aufgrund einer Dienstvereinbarung gar nicht wissen dürfe, wieviele seiner Beschäftigten wann krankgemeldet sind. „Da müssen wir ran!“ kündigte Beermann an. Er favorisiert für Bremen ein Modell, das die 80-Prozent-Regelung mit dem Vorbild von Opel kombiniert. Der Automobilkonzern spricht seine krankgeschriebenen Beschäftigten mit zunehmender Nachdrücklichkeit an, um die betriebsbedingten Ursachen des Ausfalles herauszufinden - was Arbeitsnehmer-Vertreter schlichtweg als Einschüchterungsversuch betrachten.

Der Kürzung des Krankengeldes steht noch das gültige Tarifrecht entgegen, dessen Kündigung durch die öffentlichen Arbeitgeber Bundesinnenminister Kanther bereits verlangt hat. Ein Interesse des Senats, über die Kürzung des Krankengeldes den Haushalt zu entlasten, sieht Beermann hingegen nicht: „Bremen ist nicht das Land, das da Meinungsführer ist.“

Ein ganz anderes Problem hat ein weiterer Großarbeitgeber des Landes: die Sparkasse in Bremen. Rechtlich gesehen, gilt auch für deren 2.300 Beschäftigte seit heute die 80-Prozent-Regelung. Doch nach Auskunft von Personalleiter Hans Halves wird sie nicht sofort umgesetzt. Zunächst wollten sich die Bank-Arbeitgeber über ein gemeinsames Vorgehen verständigen. Außerdem habe die Sparkasse ein technisches Problem: Ihre Datenverarbeitung für Personalangelegenheiten könne die neue Rechtslage noch gar nicht abdecken - ein bis drei Monate müsse sowieso noch abgewartet werden.

Dietmar Bartz, heute freier Journalist in der Slowakei