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Taxifahrende Zahnärzte

■ Zahnärzte kündigen Tarifvertrag für Helferinnen / Begründung: Die Gesundheitsreform hat sie arm gemacht

Der Angriff der Arbeitgeber auf die Tarifverträge geht weiter: Nachdem die Bremer Bauarbeiter bereits mit der 20 prozentigen Kürzung ihres Krankengeldes leben müssen, die Mercedes-Leute gegen die Kürzungsandrohung auf die Straße gehen, sind nun auch die Zahnarzthelferinnen dran. Die Arbeitgebervertreter der Zahnärzte aus Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Westfalen-Lippe machten es den Industriebetrieben nach. In einem Schreiben vom 19. September teilten sie die Kündigung der Manteltarifverträge für Zahnarzthelferinnen mit. Erstes Ziel der Arbeitgeber ist die Kürzung der Lohnkosten im Krankheitsfall.

„Wir sind bestürzt darüber, schließlich gehören wir zu den Geringverdienenden“, sagt Rosemarie Prasse. Die Vorsitzende des Berufsverbandes der Arzthelferinnen in Bremen (BdA) beklagt, daß es für Zahnarzthelferinnen keine einheitlichen Verträge gebe. „Während wir für Arzthelferinnen bundesweit verhandeln können, sieht es für die Zahnarzthelferinnen schlecht aus. Die Zahnärzte bekommt man auf Bundesebene nicht an einen Tisch.“

In der Bremer Zahnärztekammer weiß man nichts von einer Manteltarif-Kündigung: „Von einer Kündigung kann keine Rede sein“, meint Karl-Heinz Siegert, Hauptgeschäftsführer der Zahnärztekammer. Laut Siegert gelten hier die einzelvertraglichen Regelungen, und deshalb seien die Zahnärzte nicht an Tarifverträge gebunden.

Das sieht Karin Diehl, stellvertretende Bundesvorsitzende des BdA in Dortmund, anders: Die Arbeitgeber seien dann tarifrechtlich gebunden, wenn im Arbeitsvertrag auf den gültigen Gehalts- und Manteltarifvertrag hingewiesen werde. „Das Ganze erbost mich deshalb so, weil die Zahnärzte damit zeigen, was sie von ihren Mitarbeiterinnen halten. Sie hätten ja mal ein Zeichen setzen können und das Geschrei der Industrie-Arbeitgeber nicht mitmachen müssen.“ Außerdem sei der Krankheitsstand bei den Zahnarzthelferinnen extrem niedrig. Die Perspektive der Arbeitgeberseite ist natürlich eine ganz andere. Joachim Garth, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Zahnarzthelferinnen, Frankfurt: „Die Zeiten der Einkommenssteigerungen für Zahnärzte sind nach der Gesundheitsreform vorbei. Einige haben Konkurs angemeldet oder fahren Taxi.“ Den Tarifvertrag habe man jetzt so schnell kündigen müssen, um „überhaupt eine Grundlage zu haben, auf der wir mit den Berufsverbänden verhandeln können.“ Demgegenüber stehen die Zahlen, die der BdA für die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinnenseite errechnet hat: Im Durchschnitt verdient eine Zahnarzthelferin 2.545 Mark brutto monatlich, das Monatseinkommen ihres Arbeitgebers liegt bei 16.500 Mark.

hof

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