: Amtsschimmel zu Managern
■ Innenverwaltung will keine Public Manager mehr. Große Nachfrage bei Verwaltung und Wohlfahrtsverbänden. Staatssekretär Lancelle als "Reformverhinderer"
Die „Hauptstadt der Verwaltungsreform“ blockiert den dringend benötigten Managernachwuchs. Wie vergangenes Jahr weigert sich die Innenverwaltung, weitere Studenten in den Modellstudiengang „Öffentliches Dienstleistungsunternehmen/Public Management“ (Puma) aufzunehmen. Damit liefe der Studiengang vorzeitig aus. Die bundesweit beachtete Ausbildung soll künftige Beamte stärker für ökonomische Aufgaben – einem Ziel der Verwaltungsreform – qualifizieren. Der Bund zahlt die Hälfte der 2,5 Millionen Mark, die das Modell in fünf Jahren kostet.
„Wir wollen den Studiengang dringend“, sagte der Rektor der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung, Werner Teubner. Wohlfahrtsverbände, Versicherungsgesellschaften, halbprivatisierte Eigenbetriebe wie Bewag oder BVG suchten händeringend nach Leuten, die verwaltungsjuristisch und zugleich betriebswirtschaftlich ausgebildet seien. Im Puma-Studiengang steht Verwaltungsrecht ebenso auf dem Lehrplan wie Management oder Kundenorientierung.
Die Sprecherin der Innenverwaltung, Francine Jobatey, verweigerte strikt Auskunft über die Ablehnungsgründe des Innenressorts. Es sei zunächst zu prüfen, ob „Puma“ mit der Verwaltungsreform harmoniere, sagte Jobatey. Ein Kreis renommierter Vertreter des öffentlichen Sektors rügte die Puma-Blockade in einer Resolution: Der Jahrgang 1997 (40 Studenten) solle immatrikuliert und das Puma-Modell zur Regel werden, fordern die Unterzeichner, die dem Deutschen Städtetag, dem Diakonischen Werk, Landkreisen und Ministerien angehören.
Der ehemalige Innensenator Erich Pätzold (SPD) berichtete, in der Innenverwaltung gehe die Angst um, „daß durch den Studiengang Grundsätze des Berufsbeamtentums gefährdet werden könnten“. Mit den Pumas würden erstmals Absolventen Berechtigung für die Beamtenlaufbahn erhalten, die juristisch und betriebswirtschaftlich geschult sind. Dem Innenstaatssekretär Eike Lancelle (CDU) ist das ein Greuel. Lancelle gilt als ausgesprochener Vertreter des Beamtenrechts. Hinter vorgehaltener Hand wird er als „ausgewiesener Reformbremser“ bezeichnet. Selbst Innensenator Jörg Schönbohm weiß um die Rolle Lancelles. „Mein Staatsekretär will das nicht“, seufzte Schönbohm im internen Kreis über die Lockerung des Beamtenrechts, will aber öffentlich seinen fleißigen Adjutanten nicht bloßstellen.
Bei den beteiligten Hochschulen und den künftigen Arbeitgebern der öffentlichen Dienstleistungsmanager ernten Staatssekretär Lancelles Argumente nur noch Unverständnis und Spott. „Es gibt keinen Bedarf für die Public-Management-Absolventen“, argumentierte der Staatsekretär letzte Woche im Kuratorium der Berliner Verwaltungshochschule. Das betretene Schweigen quittierte Rektor Teubner mit dem Hinweis, der Staatssekretär möge die Fakten zur Kenntnis nehmen. Auf dem regionalen Stellenmarkt steigt laut Kienbaum-Unternehmensberatung die Nachfrage nach Führungskräften mit Kaufmannsfähigkeiten für den öffentlichen Sektor kontinuierlich.
Berlins Nachbar Brandenburg hat unterdessen mit der klassischen Verwaltungsausbildung kurzen Prozeß gemacht. Der dortigen staatlichen Fachhochschule Bernau wurde die Beamtenausbildung entzogen. Ab sofort läßt Brandenburg als erstes Bundesland seine gehobenen Beamten damit an einer „echten“ Hochschule ausbilden, der TFH in Wildau. Die Ausbildung in Wildau sei billiger, begründet das Wissenschaftsminister Steffen Reiche (SPD), „nicht mehr so engspurig wie in Bernau“, und die Absolventen seien nicht auf die Beamtenlaufbahn festgelegt. Sie erhalten neben der Befähigung für den gehobenen Verwaltungsdienst ein Diplom in Betriebswissenschaft.
Politikprofessor Peter Grottian findet die ganze gehobene Beamtenausbildung ein undemokratisches Privileg. Er hat errechnet, daß an Verwaltungs-Fachhochschulen nur drei Prozent der deutschen Studierenden ausgebildet werden, aber 30 Prozent der staatlichen Ausbildungsmittel verausgabt werden. Verwaltungsstudenten werden vom ersten Semester an als Beamte auf Widerruf voll bezahlt. Christian Füller
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