: Investoren und Mieter lieben Altbauten
■ Überraschende Wirtschaftsstudie: Immobilien-Experten fordern mehr Denkmalschutz
Welcher Investor träumt nicht von 100prozentiger Auslastung, überdurchschnittlichen Mieteinnahmen, zufriedenen Mietern und besonderen Steuervorteilen? Sorry, rhetorische Frage. Aber wer den Nutzen von denkmalgeschützten Gewerbe-Immobilien mit dem Interesse vergleicht, welches Denkmäler in dieser Gelddrucker-Branche bisher hervorgerufen haben, muß sich doch derart wundern. Und das taten denn auch die Berater der Hamburger Immobilien-Firma Jones Lang Wootton. Sie erarbeiteten zusammen mit dem Hamburger Amt für Denkmalschutz die erste Studie zu diesem Thema überhaupt – mit überaus verblüffenden Resultaten, die beliebte Feindbilder zerstören könnten.
Denn das von Wirtschaftsleuten und Stadtplanern nicht nur im Osten leidenschaftlich geschürte Vorurteil, Denkmalschutz sei ein Investitionshemmnis, erweist sich, zumindest für den Untersuchungsbereich Hamburg, als diametral falsch. Vielmehr sind sanierte, denkmalgeschützte Objekte weitaus beliebtere „Markenzeichen“ für Corporate Identity-süchtige Unternehmen als so mancher neugebaute Architektenschrott. Denkmalschutz bietet hier die gesicherte gesellschaftliche Absicherung von Qualität, die Neubauten erst noch erringen müssen – was sie in Hamburg überwiegend nicht tun werden.
Stilwerk, Chilehaus, Zeisehallen oder die alten Hamburger Kontorhäuser sind hier die besten Beispiele für höchst erfolgreiche Um- und Neunutzung. Leerstand ist in diesen wie den meisten anderen Vergleichsbauten ein Fremdwort – trotz bezirklicher Leerstandsraten von bis zu 20 Prozent.
Auch die Behauptung, Altbausanierung sei unverhältnismäßig teuer, widerlegt die Erhebung, die Kultursenatorin Christina Weiss gestern vorstellte. Für die untersuchten Gebäude zeigt die hundert Seiten starke Studie vielmehr, daß trotz nachträglicher Installation hochwertigster Haustechnik die Sanierung billiger ist als Abriß und Neubau. Auch bei Mieterzufriedenheit, Verweildauer und Mietniveau liegen geschützte Altbauten überall im optimalen Bereich.
Dieses überraschende Ergebnis führt die Immobilien-Consulter dann zu der überaus pikanten Empfehlung an die Stadt, sie möge endlich ihren Denkmalbestand inventarisieren und dafür gefälligst ein paar Leute einstellen, damit die Schar investitionswilliger Geldmenschen endlich Bescheid weiß, worauf sie sich einläßt, wenn sie ein vermeintliches Denkmal erwirbt. Pikant ist diese Forderung deswegen, weil in der Behördenabstimmung gerade die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes mit dem Argument der wirtschaftlichen Kontraproduktivität abgeschmettert worden ist.
Diese Novellierung sah aber genau die geforderte, sofortige Erhebung des Gesamtbestandes Hamburger Baudenkmäler vor, anstatt wie bisher die Denkmalwürdigkeit erst bei drohenden Änderungen zu prüfen. Damit bescheinigen die Wirtschaftsfachleute der Anti-Denkmalschutz-Koalition in den Behörden, das eigentliche Investitionshemmnis zu sein. Welch komische Wendung. Till Briegleb
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen