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Lebed hält Nato auf Distanz

■ Der Besuch von Rußlands Sicherheitsberater in Brüssel hat nur eins gebracht: die Bekräftigung alter Positionen

Brüssel (taz) – Während sich die Nato-Strategen noch den Kopf darüber zerbrachen, ob der Besuch des russischen Sicherheitschefs Alexander Lebed im Nato-Hauptquartier in Brüssel nun ein Erfolg war, kam eine überraschende Nachricht aus Moskau: Rußland und einige westliche Länder wollen Mitte kommenden Jahres auf einem Gipfel Fragen der Nato-Reform und der Beziehungen Rußlands zur Allianz erörtern. Das soll der französische Außenminister Hervé de Charette seinem russischen Kollegen Jewgeni Primakow gestern in Moskau versprochen haben.

Seit Jahren sucht die Nato nach einem Weg, Polen, Ungarn und Tschechien schrittweise in die Allianz einzugliedern, ohne die Regierung in Rußland zu verprellen. Moskau sieht in der Erweiterung eine Gefahr und verlangt ein Mitspracherecht. Außerdem müsse sich die Nato reformieren, da ihre Strategie nach Ansicht der Moskauer Regierung nach wie vor gegen Rußland gerichtet sei.

Nato-Generalsekretär Javier Solana hatte deshalb den russischen Sicherheitschef Lebed zu einem zweitägigen Besuch ins Nato- Hauptquartier eingeladen, „um die Paranoia zu zerstreuen, daß die Nato Rußlands Schwäche ausnutzen will“. Solana baut auf Erfahrungen mit dem „Partnerschaft für Frieden“-Programm (PFP), mit dem die Allianz die meisten exkommunistischen Staaten zu vertrauensbildender Zusammenarbeit eingeladen hat. Allein der regelmäßige Austausch mit Militärs aus Kasachstan oder Kirgisien habe dazu beigetragen, im Osten die Ängste vor der Nato abzubauen.

Nur Rußland will sich mit dem PFP-Programm nicht begnügen. Moskau fordert Sonderbeziehungen und möchte beim Aufbau einer neuen europäischen Sicherheitsstruktur als gleichberechtigter Partner angesehen werden. Die Nato steht vor dem Dilemma, daß sie sich nicht von Rußland vorschreiben lassen kann, wen sie wann aufnehmen darf, gleichzeitig aber Instabilität in Rußland fürchtet. Ein rascher Nato-Beitritt von Polen, Tschechien und Ungarn könnte die nationalistischen Kräfte in Moskau stärken.

Der Auftritt von Sicherheitschef Alexander Lebed gestern und vorgestern in Brüssel hat die Nato nicht aus diesem Dilemma befreit. Bei seinem ersten Besuch im westlichen Ausland äußerte Lebed zwar Verständnis dafür, daß die Nato sich ihre künftigen Mitgliedsländer selbst aussuchen wolle. Rußland habe kein Vetorecht, sagte er, warnte aber gleichzeitig vor den Konsequenzen. Rußland werde eine Ausdehnung der Nato nach Osten zum jetzigen Zeitpunkt nicht hinnehmen. Lebed drohte damit, das fertig ausgehandelte, aber noch nicht unterschriebene Start-II-Abkommen über atomare Rüstung wieder in Frage zu stellen. Mehr Sorgen macht der Nato-Führung die innenpolitische Situation in Rußland, wo der Machtkampf um die Nachfolge des kranken Präsidenten Boris Jelzin längst begonnen hat. Lebed ist einer der aussichtsreicheren Anwärter, weshalb man in Brüssel nicht nur bemüht war, nett zu ihm zu sein, sondern auch, ihn etwas genauer kennenzulernen. Schließlich hatte Lebed erst vor kurzem den Westen mit einer dunklen Warnung aufgeschreckt: Eine Nato-Erweiterung würde unweigerlich zu einem dritten Weltkrieg führen. Alois Berger

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