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Die Tories gehen baden

■ Auf dem Parteitag der britischen Konservativen steht Europa im Zentrum

Bournemouth (taz) – Wenn Großbritanniens regierende Konservative sich zum Parteitag treffen, ist es normal, daß die Polizei ganze Straßen absperrt. Auch der Parteitag im südenglischen Bournemouth, der gestern begonnen hat, bildet da keine Ausnahme. Wie es der Zufall will, sind die Wege, die am Hotel des Parteivorstands vorbeiführen, auch die zum Strand, so daß normale Leute da nicht hinkönnen. Nur die Tory- Größen dürfen baden gehen.

Möglicherweise als Reaktion auf den Anschlag auf das britische Armeehauptquartier in Nordirland am Montag ließ sich die Polizei gestern früh eine besondere Improvisation einfallen. Sie versuchte, einen überlangen Pferdetransporter aus einem Hoteleingang rückwärts auf eine steile und verkehrsreiche Straße zu bugsieren, und verursachte prompt einen Unfall, der gleich noch eine Straße mehr unpassierbar machte. So blieb den Bewohnern von Bournemouth der Anblick der protestierenden Bauern erspart, die sich vor dem Konferenzzentrum versammelt hatten, um gegen die Regierungspolitik in Sachen Rinderwahnsinn zu protestieren.

Rinderwahnsinn war dennoch das Thema, mit dem der Parteitag begann. Ein Sprecher nach dem anderen wiederholte die bekannten Gewißheiten: Britisches Rindfleisch ist das beste der Welt, verrückt sind nicht die britischen Kühe, sondern die Eurokraten in Brüssel, die EU wird beherrscht von Deutschen und Franzosen, an der BSE-Krise ist die Labour-Opposition schuld oder die ausländische Konkurrenz. Christopher Sills, ein konservativer Londoner Stadtrat, rief die begeisterten Delegierten zum Boykott europäischer Lebensmittel auf.

Als Agrarminister Douglas Hogg demgegenüber das Geld aufzählte, das die britische Regierung zur Entschädigung der Bauern gezahlt hat, erntete er Schweigen. Applaus bekam er, als er sagte, Großbritannien könne „den Mitgliedsstaaten Europas viel über Qualität und Sicherheit ihrer Lebensmittel beibringen“. Das EU- Exportverbot gegen britische Rinderprodukte nannte er „völlig ungerechtfertigt“.

Die Haltung der Konservativen zu Europa ist ohnehin ein Hauptthema des Parteitages. Vor der heute stattfindenden Europadebatte wollten gestern sowohl Pro- wie Anti-Europäer ihre Truppen mobilisieren. Aufsehen hatte vor dem Parteitag der Übertritt des ehemaligen Schatzmeisters der Tories, Alistair McAlpine, zur euroskeptischen Referendums-Partei (RP) des millionenschweren Geschäftsmannes James Goldsmith erregt. Die RP plant, bei der nächsten Wahl in fast allen Wahlkreisen zu kandidieren, um für eine Volksabstimmung über die Neuverhandlung der britischen EU-Mitgliedschaft zu werben. Nach Tory-internen Studien könnte schon ein Stimmenanteil von 2,5 Prozent für diese Partei ausreichen, um den Konservativen bei einer Wiederholung des Wahlergebnisses von 1992 ihre damals zwanzig Sitze starke Mehrheit zu nehmen.

Die europafeindliche Tory- Rechte hat entdeckt, daß die Drohung mit einem Wechsel zur Referendums-Partei ein hervorragendes parteiinternes Druckmittel ist. Sie fühlt sich dadurch bestärkt, daß Margaret Thatcher kürzlich Goldsmith einen „sehr vernünftigen Menschen“ nannte. Der jetzt übergelaufene Ex-Schatzmeister McAlpine ist ein Freund von ihr: Sie gab ihm 1975 seinen Posten, als sie zum ersten Mal die Parteiführung übernommen hatte. Dominic Johnson

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