: „Stern“-Reporter verriet BKA-Quelle
■ Journalist trug ihm zugespielte Informationen über RAF zum BKA und lieferte Informanten ans Messer
Berlin (taz) – Die Zulieferdienste eines Stern-Journalisten haben das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden auf die Spur jenes Beamten gebracht, der verdächtigt wird, die Medien nach der gescheiterten RAF-Festnahmeaktion von Bad Kleinen monatelang mit Behördeninterna versorgt zu haben. Das ergibt sich aus den Ermittlungsakten gegen drei des Geheimnisverrats verdächtigte BKA-Mitarbeiter. Danach lieferte der Frankfurter Stern-Korrespondent Rudolf Müller im März 1994 zunächst Kopien einer anonymen, an den Stern gerichteten Postsendung an das BKA zurück. Auf Bitten der Behördenspitze reichte Müller, im Insider-Jargon ein „Vertrauensjournalist“ des BKA, später die Originale nach, darüber hinaus die frankierten Briefumschläge. Leitende Beamte der Kriminalzentrale hatten dem Redakteur zuvor „absolute Vertraulichkeit“ zugesichert.
Auf einer der Briefmarken entdeckte eine BKA-interne Ermittlungsgruppe wenig später Speichelreste, auf einer der Originalkopien einen Fingerabdruck. Beide konnten einem Kriminaloberkommissar aus dem Anti-Terrorismus-Referat TE 11 zugeordnet werden, der selbst Auswertungsberichte verfaßt hatte, die später von der taz und Focus in Auszügen veröffentlicht wurden. Seit Anfang 1995 ist der betroffene Beamte, der alle Vorwürfe vehement bestreitet, vom Dienst suspendiert. Im Juli erhob die Staatsanwaltschaft Wiesbaden beim dortigen Landgericht Anklage wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen und Bestechlichkeit.
In den an die Öffentlichkeit gelangten Unterlagen war unter anderem behauptet worden, der in Bad Kleinen eingesetzte V-Mann Klaus Steinmetz sei selbst ein „tragendes Mitglied der RAF“ und möglicherweise am Sprengstoffanschlag auf den Gefängnisneubau Weiterstadt beteiligt gewesen. Als Motiv für die fortlaufenden Indiskretionen galten seinerzeit tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt, die sich innerhalb der Wiesbadener Behörde fortsetzten. Insbesondere Beamte des für die RAF zuständigen Referats TE 11 warfen Bundesanwaltschaft und Verfassungsschutz vor, die wahre Rolle des V-Manns, der die Fahnder Ende Juni 1993 nach Bad Kleinen geführt hatte, vertuschen zu wollen. Die Querelen führten im vergangenen Frühjahr zum vorzeitigen Abgang des BKA- Präsidenten Hans-Ludwig Zachert.
In einem seiner letzten Beiträge für den Stern berichtete Müller am 19. Januar 1995 über den Vorgang. Um die wahre Herkunft der Speichelspuren zu verschleiern, hieß es in dem nicht namentlich gezeichneten Artikel, Umschlag nebst Briefmarke seien den Ermittlern „offenbar“ im Januar 1994 bei einer Durchsuchung der Münchner Focus-Redaktion in die Hände gefallen. Seinen Ansprechpartnern im Bundeskriminalamt versicherte Müller, der Rücktransport der anonymen Post erfolge mit Einverständnis der Zentralredaktion in Hamburg. Eine Stellungnahme dazu lag gestern bis Redaktionsschluß nicht vor.
Im Sommer 1995 feuerte der Stern Müller fristlos — freilich nicht wegen der BKA-Connection. Ohne Wissen seines Arbeitgebers hatte sich der Kollege beim Baulöwen und Milliarden-Bankrotteur Jürgen Schneider ein sechsstelliges Zubrot als Image-Lifter verdient. Gerd Rosenkranz
Hintergrund Seiten 16 und 17
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