: „Frauen sind Petersilie im Kabarett“
■ Barbara Kuster, „herbe Schönheit aus Preußen“, erste Frontfrau aus dem Osten
Schillernd ist sie, wortgewandt und schlagfertig. Barbara Kuster, die bis vor kurzem einzige Ostlerin im Club der „FrontFrauen“. Das Handwerkszeug hat sie in der DDR gelernt. Dort trat sie in Potsdam im Theater am Obelisk auf. Kabarett bietet so oder so die Möglichkeit, auf Distanz zum System zu gehen. Egal, welchem. Damals wie heute ist sie dabei. Mal spielt sie solo, mal im Austausch mit der hessischen Weltverbesserin Hilde Wackerhagen. Derzeit übernimmt sie sogar die ungeliebte Rolle der Westfrau: als das „erotische Sparpaket Gertrud Protzmann aus Berlin-Steglitz“ im ungeschliffenen Ost-West- Dialog mit einer Nachfahrin der klassischen Urururberlinerin aus dem Prenzlauer Berg.
taz: Seit 1993 gibt es die Frontfrauenrevue. Das klingt nach Feldzug.
Barbara Kuster: Ja, das ist richtig. Da gab es auch große Auseinandersetzungen. Damit gemeint ist das Frontschwein auf der Bühne, um das mal leger zu sagen. Wir sind an der Front, an der Bühne, an der Kante und ledern runter.
Es wird den Frontfrauen vorgeworfen, daß ihr Rüstzeug die Quote sei.
Wieso? Ich bin ganz zufällig reingerutscht, und ich war baß erstaunt, wieviel Frauen es gibt, die Kabarett machen. Gute Frauen. Ich war freischaffend und dachte, da mußt du die Ärmel hochkrempeln, das ist freie Marktwirtschaft, jetzt geht's hart auf hart. Männer haben auch ihre Klüngel, ihre Lobbies. Ich merkte, daß es im Netzwerk eine unheimliche Solidarität gibt und daß man sich untereinander helfen kann. Wir reden über die Programme. Geben uns Tips. Welche Veranstalter sollte man meiden. Welche Spielorte sind gut. Ermutigen uns.
Sie waren lange die einzige Ostfrau unter den Frontfrauen. War der sogenannte Westfeminismus kein Hindernis?
Ich glaube, daß das allen Frauen in der ehemaligen DDR so geht wie mir. Die sagen: Wieso sollen wir uns emanzipieren? Wir sind emanzipiert. Allerdings kann ich mittlerweile auch den Feminismus verstehen. Jetzt nach der Wende kommt doch der Intendant eines namhaften Hauses in Potsdam und sagt: An Frauenkabarett ist er nicht interessiert. Da ist mir zum ersten Mal der Unterkiefer heruntergeklappt.
War das ein Westkollege?
Ein Ostkollege.
Da hat er ja schnell gelernt.
Irgendwo muß das doch genetisch drinnesitzen.
Sie sind Frau und Kabarettistin. Das ist demzufolge kein Widerspruch?
Diese Problematik „Frau und Kabarettistin“ war für mich überhaupt nicht relevant. Entweder man macht's oder man macht's nicht. Daß die Frauen hier im Westen als Kabarettistinnen Schwierigkeiten haben, habe ich erst 1993 bei der Gründung unseres Netzwerkes gemerkt. Frauen im Westen sind oft nur die Petersilie im Kabarett. Da wird von einem Mann ein Lied geschrieben, und das darf sie dann vortragen.
Hilft es, wenn die Frauen die Texte selbst schreiben?
Ja, das ist wichtig, aber es ändert erst einmal auch nichts daran, daß es im Westen unheimliche Hürden gibt für Frauen, auf die Bühne und in die Medien zu kommen. Das wollte ich erst gar nicht glauben. Wir im Osten haben die Männer ja immer eher zum schwachen Geschlecht gezählt.
Warum sind Frauen, die im klassischen Sinne politisches Kabarett machen, nach wie vor so rar gesät?
Die Frauen reflektieren das, was sie selber erleben, woran sie selber Anteil haben. Und in der Politik sind sie einfach immer noch außen vor. Die paar Frauen, die ich kenne, die drin sind, sind oft alleinstehend, haben keine Kinder, sind Journalistinnen oder Pädagoginnen. Normale Frauen mit zwei Kindern und Ehegatten – so wie ich – haben meistens andere Themen. Wenn Frauen sich mehr einmischen würden, wenn sie stärker am politischen Geschehen beteiligt wären, dann würde da auch mehr kommen.
Dann sind die Kabarettistinnen mit ihren Themen über Kinder, Küche und Körper die letzten Vertreterinnen des Slogans: „Das Private ist politisch“?
Es sieht manchmal so aus. Der Vorteil bei Frauen ist allerdings, daß sie Kopf und Bauch einbringen.
Viele finden, daß dies genau der Nachteil ist. Die Kabarettistin Lisa Politt bringt es auf eine sehr schöne Formel: „Die Frau ist des Menschen Putzfrau, und sie spielt demzufolge auch eine.“
Da möchte ich mich sehr dagegen verwahren.
Am Schluß soll gelacht werden – über sich oder andere?
Ja, sonst wäre ich Politikerin geworden. Wenn man keinen Spaß mehr hat, dann soll man's sein lassen. Ich verteile nach allen Richtungen.
Gibt es noch so was wie eine Identität der Ostfrau?
Für mich ja, auf alle Fälle.
Wie äußert sich das?
Ich geh nie nach Steglitz. Interview: Waltraud Schwab
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