Geben - und andere darüber reden lassen

■ Fundraising und Sozial-Sponsoring allein sind kein finanzieller Rettungsanker für soziale Organisationen. Gute Ideen müssen vermarktet werden. Auch der Geldgeber möchte einen Nutzen von seinem Engag

Jeder merkt es: Die öffentliche Hand spart. Besonders betroffen davon sind soziale Projekte, die bisher meist ausschließlich durch öffentliche Zuwendungen finanziert werden. Deshalb wird in diesem Bereich verstärkt nach neuen Geldgebern gesucht. Neben Privatpersonen, die sich mit Spenden und ehrenamtlicher Tätigkeit im Sozialbereich engagieren, stellen zunehmend auch Unternehmen Teile ihrer Marketingbudgets für Sozialprojekte zur Verfügung. Das Zauberwort „Sozial-Sponsoring“ elektrisiert immer mehr soziale Organisationen.

Wie nun können Non-Profit- Organisationen um Unterstützung ihrer sozialen Anliegen werben? Was bedeuten „Fundraising“ und „Sponsoring“? Zunächst stehen diese Begriffe für verschiedene Methoden, mit denen Projekte um Unterstützung bitten können. „Fundraising“ läuft dabei auf Beziehungspflege hinaus, durch die es gelingt, andere zu ermutigen, sich an der Lösung gesellschaftlicher und sozialer Probleme zu beteiligen. Rein funktionale Geldbeschaffung für einen Träger wird damit zur Entwicklung des Vermögens, bessere Lösungen für bestimmte Probleme sozialer Arbeit und des Gemeinwesens zu finden.

Dieses Vorgehen unterscheidet sich deutlich von der Versorgungsmentalität vergangener Jahre. Die Sicherheit, ausreichend öffentliche Mittel zu bekommen, wenn man das Antragsverfahren nur richtig beherrscht und vielleicht noch die richtigen Leute aus der Verwaltung kennt, weicht dem Zwang zur

Wir sind am Ende der Versorgungsmentalität

Mischfinanzierung. Heute müssen mehr denn je soziale Ziele benannt und für Teilbereiche Lösungen entwickelt werden, die auch im Wettbewerb zu anderen Ideen Bestand haben. Soziale Organisationen müssen damit ihre Kompetenz permanent aufs neue beweisen. Aus Beratersicht gibt es zwei Nachrichten. Die schlechte zuerst: Weder mit Fundraising und erst recht nicht mit Sponsoring lassen sich die akuten Finanznöte sozialer Projekte dauerhaft beheben. Trotz größter Anstrengungen werden viele Träger nicht in der Lage sein, mit Hilfe privater Drittmittel die staatlichen Kürzungen aufzufangen und aufgeben müssen. Die gute Nachricht: Allen erfolgreich umgesetzten Fundraising-Ideen ist gemeinsam, daß nicht nur Unterstützung für Projekte gefunden und außerdem die eigene Überzeugung öffentlichkeitswirksam dargestellt wurde. Durch die zunehmende Professionalisierung der Träger wurde immer auch die Grundlage für die nächste Spende gelegt.

Natürlich sind die verschiedenen Wege zur Erschließung finanzieller Ressourcen keine Erfindung neueren Datums. Schon immer haben Kirchen Spenden gesammelt und zu ihren Gunsten abgefaßte Testamente gern genommen; haben auch Parteien Geldquellen phantasievoll angezapft. In den 80er Jahren hat die Friedensbewegung hohe Summen eingeworben. Staatliche Stellen waren zu allen Zeiten bemüht, die Ressourcen ihrer Bürger zu erschließen. Schon Bismarck zitierte den römischen Rechtsgrundsatz „Do ut des“ (Ich gebe, damit du gebest), den die Sponsoren aus der Wirtschaft flugs erweitert haben in ein: „Geben – und andere davon reden lassen“.

Neu ist die Dimension der Verzweiflung, mit der Mitarbeiter in sozialen Einrichtungen hoffen, sich in Crashkursen nach dem Motto fit machen zu können: „So finden Sie den richtigen Sponsor.“ Da wird dann gern alles in einen Topf geworfen, und häufig merkt man erst sehr spät, daß nicht überall Spende drin ist, wo Sponsoring draufsteht.

Neu ist allerdings auch der Grad an Professionalisierung und Zielstrebigkeit, mit dem heute Verbände und Initiativen höchst trickreich um neue Unterstützer werben. Die meisten machen dabei ähnliche Erfahrungen. Fundraising funktioniert zumeist nur langfristig. Zeitlich und sachlich abgrenzbare Projekte sind besser als Köder für potentielle Geldgeber geeignet als der ganze Verein, und Personal läßt sich selten aus Spenden, Stiftungen oder gar über Sponsoren aus der Wirtschaft finanzieren.

In jedem Träger, in dem zusätzliche Ressourcen erschlossen werden sollen, müssen aufbauend auf einer genauen Analyse der aktuellen Situation und einer klaren Zielformulierung jeweils eigene Vorgehensweisen, Konzepte und Ideen für die zu fördernden Projekte entwickelt werden. Weil beispielsweise der „Berliner Bildungsmarkt“ für seinen Fahrradverleih „bikecity“ Sponsoren aus der Wirtschaft dafür gewinnen konnte, 60 jugendliche und ältere Langzeitarbeitslose in einem Beschäftigungsprojekt unterzubringen, bedeutet das noch lange nicht, daß Daimler Benz oder die Deutsche Bahn automatisch für jede Sponsoringidee die passenden Partner wären. Nur weil sich eine Stiftungsgründung für den einen Träger als der richtige Weg beim Erbschaftsmarketing erweist, liegt nicht automatisch beispielsweise für alle Tierschutzvereine darin ebenfalls der richtige Weg. Wenn ein Sommerfest mit Tombola und Spendenbriefe bei einem Schulförderverein 20.000 Mark einspielen, sollte eine andere Schule vielleicht andere Ideen ausprobieren.

Egal, ob jemand selbst etwas mit der Mittelbeschaffung sozialer Organisationen zu tun hat: Ganz sicher gehören wir alle zur Zielgruppe von Fundraisern. Denn mit abnehmendem Transfer öffentlicher Mittel in den Sozialbereich

Projekte lernen, sich öffentlich zu präsentieren

steigt überall die private Belastung durch Kostenbeteiligungen. Und es steigt der Zwang zum „fundraisen“ bei denjenigen, deren Institutionen von den Kürzungen betroffen sind, und damit wiederum die Zahl der Spendenaufrufe.

Die Mitarbeiter sozialer Organisationen sollten sich demgegenüber, wenn sie Unterstützung brauchen, Fragen stellen und diese ehrlich beantworten: Biete ich zur Lösung des aufgezeigten gesellschaftlichen Problems die richtigen Antworten? Ist mein Projekt zur Problemlösung geeignet? Kann ich halten, was ich verspreche? Wie kann ich das beweisen? Wer könnte sich für die Lösung des Problems interessieren? Was passiert, wenn meine Idee nicht realisiert wird?

Weil es leichter ist, einen Freund zu behalten, als neue Freunde zu gewinnen, brauchen mittlerweile soziale Organisationen ein auch von außen wahrnehmbares positives Image. Andere wiederum müssen ihnen zutrauen, die Probleme auch lösen zu können, die sie zu lösen vorgeben. Ihre Öffentlichkeitsarbeit muß den Glauben daran also geschickt inszenieren und nähren. Sie sollten ihre Zielgruppen kennen und diese gezielt ansprechen — die besonders wichtigen oder spendablen

Ein „Nein“ muß nicht heißen „Nein, niemals.“

Menschen natürlich bevorzugt. Vor allem aber müssen sie auf allen Ebenen mühsam eines tun: fragen und immer wieder fragen. Die Anworten werden zwar meistens ernüchternd sein, aber niemals wertlos. Denn ein „Nein“ heißt nicht unbedingt „Nein, niemals“. Vielleicht heißt es „Nein, jetzt nicht, nicht soviel, nicht das Gefragte, nicht schon wieder“. Oder es heißt: „Nein, nicht so, nicht für dich“. Manchmal kann es auch heißen: „Ja, vielleicht“. Non-Profit-Organisationen sollten anderen die Gelegenheit geben, aus der gemeinsamen Bewältigung der Aufgaben einen Nutzen ziehen zu können. Einen Nutzen, den sie immerhin höher einstufen als die aufgewandte Mühe oder die Höhe der Gabe. Und dafür gebührt ihnen dann ein Dankeschön. Auch das ist etwas gewöhnungsbedürftig für Leute, die meinen, sie allein seien diejenigen, denen zu danken sei für ihren Einsatz im Gemeinwesen.

In welchen Gewässern könnte jenseits von Privatpersonen außerdem gefischt werden? Geht es um Spenden, denken viele sofort an die Wirtschaft, an Konzerne, an die „big spender“ – was leider oftmals falsch ist. Denn die Neigung, in den Sozialbereich hohe Summen zu investieren, ist in der werbetreibenden Wirtschaft nicht besonders ausgeprägt. Zum Ausfallbürgen für eine auch in ihren Augen verfehlte Sozialpolitik lassen sich die Entscheidungsträger in den Firmen nämlich ganz sicher nicht machen.

Zwar gibt es eine Vielzahl positiver Beispiele für gelungene Kooperationsprojekte zwischen Wirtschaft und Sozialbereich, die nicht immer an die große Glocke gehängt werden. Aber immer öfter nehmen Marketingmanager in den Unternehmen auch gern die ihnen zumeist freiwillig angebotenen Gegenleistungen an. Jedoch fehlen oftmals gute Projektideen und Konzepte, es mangelt häufig an Professionalität in den Trägern hinsichtlich deren Öffentlichkeitsarbeit und Zuverlässigkeit. Und selbst wenn diese Mängel sich im Laufe der Zeit reduzieren, sind die Summen, mit denen soziale Projekte gesponsert werden, längst nicht so groß, wie es aus Sicht des Sozialbereichs wünschenswert wäre.

Zu bedenken ist auch, daß Sponsoring, selbst wenn es auch mit einem Förderwillen verbunden ist, in der Regel für den Sponsor nicht teurer sein darf als andere absatzfördernde Maßnahmen. Es sei denn, die Sponsoringnehmer könnten die Erschließung neuer wichtiger Zielgruppen durch ihre Gegenleistungen ermöglichen oder die Idee wäre besonders geeignet, zur Mitarbeitermotivation im Betrieb beizutragen.

Fazit: Es gibt zahlreiche Überlegungen, die bei Fundraising und Sponsoring durch soziale Organisationen im Vorfeld bedacht werden müssen. Größere Projekte erfordern Zeit und Nerven. Das sollte allerdings niemanden abhalten, darüber nachzudenken, wenn es eine gute Idee gibt. Fundraising und besonders der Teilbereich Sozial-Sponsoring bieten keine kurzfristigen finanziellen Rettungsanker. Aber als langfristige Vorgehensweisen können sie bei der Bewältigung sozialer Aufgaben unter veränderten Rahmenbedingungen nützlich sein. Friedrich Haunert

Der Autor ist Mitarbeiter des Sozialpädagogischen Instituts Berlin, gemeinsame Arbeitsstelle des SPI und DPW „Fundraising und Sozial-Sponsoring“. Kontakt: SPI ServiceGesellschaft, Boppstr. 10, 10967 Berlin. Tel. 030-69008526.