: Diplomatin zwischen den Stühlen
Barbara John (CDU) feiert ihr 15jähriges Amtsjubiläum. Selbst frühere Kritiker loben heute die dienstälteste Ausländerbeauftragte der Republik. Eine Frau mit Standvermögen ■ Von Dorothee Winden
Für die ausländerpolitischen Hardliner in der CDU ist sie ein rotes Tuch, die Bündnisgrünen sägten während der rot-grünen Koalition vergeblich an ihrem Stuhl, und auch die SPD liebäugelte 1990 damit, die CDU-Frau durch eine Genossin zu ersetzen. Barbara John, die am 1. Dezember 15 Jahre im Amt und damit die dienstälteste Ausländerbeauftragte der Republik ist, saß immer zwischen den Stühlen.
Angefeindet wurde die 58jährige von links wie von rechts: Als sie sich in den achtziger Jahren recht früh für die Einbürgerung von Immigranten aussprach, stieß dies bei CDU-Betonköpfen ebenso auf Widerstand wie bei den Bündnisgrünen und linken Einwanderern. Die Rechten fürchteten eine „Überfremdung“ durch ausländische Mitbürger. Die Linke warf ihr vor, deren Assimilation zu betreiben. „Das war nie mein Ziel“, sagt sie gelassen.
Heute zollen ihr selbst linke Immigranten Anerkennung, die sich früher erbitterte Diskussionen mit ihr geliefert haben. „Sie hat sich sehr positiv entwickelt. Sie ist in einigen Punkten jetzt weiter als die SPD“, sagt der bündnisgrüne Ismail Kosan, der sie noch aus den siebziger Jahren kennt.
Damals leitete John an der Technischen Universität die Deutschkurse für Ausländer. Sie lehne das Kommunale Wahlrecht für Ausländer nicht mehr ab und befürworte jetzt auch ein Antidiskriminierungsgesetz, stellt Kosan fest. Selbst das Immigrantenpolitische Forum, das vor einigen Jahren forderte, ihr Büro in ein „Amt für Gleichberechtigung und Antirassismus“ umzuwandeln, schätzt heute ihre Kompetenz in Integrationsfragen. Skeptischer gibt sich der bündnisgrüne Abgeordnete Riza Baran: „Viel ist es nicht, was sie erreicht hat.“ Sie habe in erster Linie eine Pufferfunktion. „Bei Problemen heißt es immer, reden Sie doch mit Frau John“, so Baran. Es sei wie ein Spiel mit verteilten Rollen: Die CDU-Innensenatoren zeigen sich unerbittlich. Sie beschwichtige.
Ob diese Lummer, Kewenig, Heckelmann oder Schönbohm heißen, immer versuchte John hartnäckig und diplomatisch zugleich, in Einzelfällen humane Lösungen zu erkämpfen. Das trug ihr in der türkischen Bevölkerung den Ehrentitel der „abla“, der „großen Schwester“ ein. Für andere war es ein Beweis ihrer Alibifunktion. Denn an der rechtlichen Lage der ImmigrantInnen hat sich in den letzten fünfzehn Jahren nur wenig geändert.
Meist agiert sie im Hintergrund. Aufsehen zu erregen würde die Verhandlungen mit der Ausländerbehörde nur erschweren. „Ich kann nicht um einer Schlagzeile willen etwas aufs Spiel setzen“, entgegnet sie denen, die dies als zu wenig kämpferisch kritisieren. Dennoch hat sie sich über die Jahre immer wieder mit von der CDU- Linie abweichenden Positionen zu Wort gemeldet.
Nur selten riskiert sie den offenen Konflikt, dann aber ganz bewußt. Über den Wahlkampfspot der „Republikaner“ von 1990, gegen den sie Anzeige wegen Volksverhetzung erstattete, kann sich die sonst so zurückhaltende Frau heute noch echauffieren. Zu der Filmmelodie „Spiel mir das Lied vom Tod“ zeigte der Spot türkische Kinder und Junkies. „Das war eine solche Grenzüberschreitung“, regt sie sich auf. Aus den Reihen der CDU, die den damaligen Wahlkampf mit Plakaten gegen das kommunale Wahlrecht für Ausländer bestritten hatte, wurde sie schwer angegriffen.
Einige gingen so weit, ihr die Schuld an dem Wahlerfolg der „Republikaner“ zu geben. „Da hatte man die Hexe, die man verbrennen konnte“, sagt sie, und in ihrer Stimme schwingt verhaltene Wut. Und doch sagt sie: „Ich bin gerade als Ausländerbeauftragte in der richtigen Partei. Es ist schwerer, aber auch lohnenswerter.“
Daß sie in der CDU einen schweren Stand hat, zeigt sich nicht nur daran, daß die Ausländerpolitik der Partei von Hardlinern wie Roland Gewalt und Dieter Hapel bestimmt wird. Auf dem Landesparteitag im Juni 1993 wurde sie von der Mehrheit der Delegierten ausgepfiffen, als sie eine Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft einforderte. „Aber ich bekomme auch Unterstützung aus der CDU, auch vom Regierenden Bürgermeister.“
Die Frau mit dem immensen Standvermögen bleibt als Person stets im Hintergrund. Daß sie sehr gut türkisch spricht, wehrt sie bescheiden, mit einem fast verlegenen Lachen ab. Persönliches gibt sie selten preis. Aufgewachsen ist die gebürtige Berlinerin in Kreuzberg. Ihre Eltern zogen in den zwanziger Jahren aus Schlesien nach Berlin – eine typische Zuwandererfamilie. Wie so viele Immigranten heute, machte sich ihr Vater selbständig, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Er stellte Kerzen her, in einer „kleinen Klitsche“.
Die Eltern waren gläubige Katholiken, der Vater, selbst CDU- Mitglied, nahm die Tochter gelegentlich mit zu Versammlungen. Als sie Anfang der 70er Jahre in die CDU eintrat, erlebte sie, wie ihre KollegInnen an der TU sie plötzlich schnitten. Eine CDU-Mitgliedschaft war für die wie ein Pakt mit Teufel, sagt sie. „Ich war mit einem Schlag isoliert.“ Damals dachte sie sich: „Vor einer Gesellschaft, die von solchen Leuten errichtet wird, muß man Angst haben.“
Als Politologiestudentin an der FU erlebte sie die bewegten Zeiten Ende der 60er Jahre aus der Beobachterperspektive. „Vieles ging mir damals zu weit.“ Die Angriffe auf Professoren empfand sie als abschreckend. Doch der Tod des Kommilitonen Benno Ohnesorg ging ihr nah. „Daß ein junger Mensch für sein politisches Engagement sterben mußte, hat mich bewegt.“ An dem Trauerzug durch Dahlem nahm sie teil.
Ihre politische Karriere begann in Kreuzberg. Von 1971 bis 1981 gehörte die Lehrerin und Diplompolitologin der Bezirksverordnetenversammlung an und war lange Jahre schulpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. 1981 war sie im Wahlkampfteam von Richard von Weizsäcker. Der plante, in Berlin eine Ausländerbeauftragte zu installieren, und hatte dabei Barbara John im Sinn. Weizsäcker wurde Regierender Bürgermeister und John nach einem halbjährigen Intermezzo als Abgeordnete die erste Ausländerbeauftragte eines Bundeslandes.
Daß sie so lange im Amt sein würde, hat sie sich nicht träumen lassen. „Ich hatte damals die Vorstellung, daß dieses Amt in zehn Jahren überflüssig sein würde.“ Weit gefehlt. Nach wie vor berät ihr Mitarbeiterstab täglich 60 bis 70 Ratsuchende, dazu kommen noch mal 100 bis 150 telefonische Anfragen.
Politik hat für sie immer bedeutet, „ganz nah dran (zu) sein, an Alltagsproblemen“. „Mit bescheidenen Schritten“ verfolge sie „einen pragmatischen, nüchternen Kurs in Richtung volle Integration“. Das Amtsjubiläum ist für sie lediglich „ein Datum“, es bedeute keinen Einschnitt in ihrer Arbeit. Dennoch freut sie sich, daß der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg am 20. Oktober eine Feier für sie ausrichtet.
Am 1. Dezember wird der Ausländerausschuß aus Anlaß ihres Dienstjubiläums in ihrem Büro tagen. Dann wird auch der ausländerpolitische Sprecher der CDU, Roland Gewalt, der in all den Jahren nie dort war, sich in die Höhle der Löwin begeben müssen.
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