piwik no script img

Expolizistin erhebt schwere Vorwürfe

■ Im Prozeß gegen Polizisten wurde Kriminaldirektorin Ellen Karau a.D. als Zeugin gehört. Gericht gerät in Zeitnot

Das Großverfahren gegen acht Polizisten wegen Körperverletzung im Amt zieht weitere Kreise. Nachdem gestern die als Zeugin geladene Leitende Kriminaldirektorin Ellen Karau a.D. schonungslos über dunkle Praktiken in der Behörde berichtete, wird die Verteidigung vermutlich auf die Ladung des Polizeivizepräsidenten Dieter Schenk bestehen. Ob das Gericht den Prozeß wie geplant bis Anfang November zu Ende bringen kann, erscheint immer fraglicher. Eine Verlängerung ist nicht möglich, weil ein Gerichtsangehöriger eine längere Reise antritt.

Das Verfahren gegen den Hauptangeklagten Thorsten K. wurde gestern bereits abgetrennt. weil der bei einem Polizeieinsatz mißhandelte Rumäne bislang nicht ausfindig zu machen war.

In den vergangenen Verhandlungstagen hatten die geladenen Polizeizeugen vor allem durch einen kollektiven Gedächtnisschwund geglänzt. Dagegen redete die 51jährige Ellen Karau gestern Klartext. Polizeivizepräsident Schenk hatte die Abteilungsleiterin im Landeskriminalamt im Februar 1992 beauftragt, die Gerüchte um die Kreuzberger Direktionshundertschaft aufzuklären. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits einige Beamte der Einheit wegen Rauschgiftdelikten vom Dienst suspendiert.

Eines der Gerüchte besagte laut Karau, daß Angehörige des Truppe einen bewaffneten Banküberfall planten. Bei ihren Recherchen sei sie auf eine „merkwürdige Häufung von Verhaltensweisen“ gestoßen. Der Zug sei auffällig oft gegen vietnamesische Zigarettenhändler vorgegangen. Sie habe gehört, daß es dabei häufig zu „Fehlverhalten“ gekommen sei. Die Beamten hätten sich gezielt Opfer ausgesucht, von denen sie nichts zu befürchten hätten, weil sie bei der Polizei „keine große Glaubwürdigkeit genießen“.

Auf Veranlassung von Karau war der Beamte R. zu geheimen Ermittlungen in den Zug eingeschleust worden. Gewußt hatten davon nur wenige Beamte und die Polizeiführung. Karau begründete ihre Vorsicht damit, „daß sie schon alles erlebt“ habe, auch Polizeibeamte, die in Villen eingebrochen seien. Auf Dienstpläne als Alibi sei auch nicht immer etwas zu geben, denn deren Manipulation sei in der Behörde weithin verbreitet. Sie wisse auch, daß einzelne Beamte sich weigerten, Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt entgegenzunehmen, auch, daß sich beschuldigte Polizisten mit angeblichen Widerstandshandlungen der Festgenommenen herauszureden versuchten.

An dem Tag, als die Schränke des Zuges nach Waffen und unverzollten Zigaretten durchsucht wurden, war Karau „soviel Haß entgegengeschlagen, wie ich zuvor noch nie erlebt habe“, sagte sie. Sie habe gehofft, daß die anderen Direktionsleiter auch einmal in die Schränke ihrer geschlossenen Einheiten sehen würden. Dem sei aber nicht so gewesen. Fündig geworden wären sie bestimmt. Denn, so Karau, in den Tagen darauf hätten Polizisten beim Hauptzollamt kistenweise als Fundsache deklarierte Zigaretten abgeliefert. Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen